© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Deutsche Kommunen drehen an der Steuerschraube
Gefährlicher Investitionsstau
Dirk Meyer

Ob Theateraufführung oder Elternsprechtag – Schultoiletten gehören gemeinhin zur No-go-Area. Das Förderprogramm „Go for Klo“ von Schleswig-Holstein will das ändern – endlich. Und es ist ein Beispiel für den kommunalen Investitionsrückstand, der 2017 auf 159 Milliarden Euro angewachsen ist. Grundlage ist die Befragung aller Städte und Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern durch die KfW-Bank. Ob Straßen, Verwaltungen, Kitas und Sportstätten: Eine jahrelang aufgeschobene Instandhaltung, aber auch nicht erfüllter Modernisierungs-, Neu- und Ersatzbedarf gefährden den Standort Deutschland.

Allein Schulen benötigen 48 Milliarden Euro – etwa doppelt soviel wie der Bund jährlich für die Flüchtlingspolitik ausgibt. Eine wesentliche Ursache ist ein demographischer Mehrbedarf aufgrund von Pflege, Zuzug und steigenden Geburtenzahlen. Angesichts eines bundesweiten Einnahmenüberschusses der Kommunen seit 2012 – mit einem Rekordwert von elf Milliarden Euro 2017 – erstaunt dieser Rückstand. Zunächst wurden die Kassenkredite aus dem laufenden Verwaltungshaushalt zurückgeführt. Trotz vorhandener Gelder, die obendrein durch erhebliche Investitionsfördermaßnahmen des Bundes und der Länder reichlich sprudeln, mangelt es vielfach an qualifizierten Planern. Für Bauunternehmen sind private Aufträge häufig lukrativer als öffentliche Ausschreibungen. Auch bestehen zwischen armen und reichen Kommunen erhebliche Unterschiede. 60 Prozent der Städte und Gemeinden haben in den letzten fünf Jahren ihre Grundsteuern erhöht, 53 Prozent die Gewerbesteuer – vorrangig und besonders stark die klammen Kommunen.

Die Gemeindesteuern machen aber nur 22 Prozent ihrer gesamten Einnahmen aus. Zudem setzt ein Teufelskreis aus Steuererhöhung, Abwanderung, sinkenden Einnahmen und schlechterem Daseinsangebot ein. Der relativ stärkere Anstieg der Grundsteuer, die zugleich als staatlich erzwungene Zusatzmiete wirkt, erklärt sich aus der Immobilität. Betriebe können einer hohen Gewerbesteuer leichter ausweichen als die ortsansässige Wohnbevölkerung der Grundsteuer.

Was wären Alternativen? Zunächst bedarf es einer bundespolitischen Entscheidung, ob man eine „passive Sanierung“ durch Abwanderung und entleerte Räume zulassen will. Fällt der Entschluß zugunsten einer „aktiven Sanierung“, müßten der Anteil an den Gemeinschaftssteuern und zweckgebundene Zuweisungen erhöht werden. Auch ein Schuldenschnitt bei den Kassenkrediten überschuldeter Kommunen wird diskutiert. Anreizgesichtspunkte sprechen allerdings dagegen. Schließlich könnten Bauten in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) errichtet und betrieben werden, wobei die Kommune entsprechende Mietzahlungen leisten müßte.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.