© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Altmaiers und Merkels spätes Erwachen
Unternehmensübernahmen: Bundesregierung plant eine „Lex China“ / Eingriffsschwelle sinkt auf 15 Prozent / Wiederentdeckung einer nationalen Industriepolitik?
Albrecht Rothacher

Es dauerte zu lange, bis im politischen Berlin der Groschen fiel: Erst kaufte sich der chinesische Haushaltswarenhersteller Midea für 4,5 Milliarden Euro die Perle der deutschen Robotertechnologie, die Augsburger Kuka (JF 31/16). Die Technologien des Münchner Maschinenbauers Krauss-Maffei verschwanden bei ChemChina. Erst die Übernahme von 9,7 Prozent der Daimler-Aktien durch den Investor Li Shufu vom Geely-Konzern (Volvo, Lotus, London Taxi/JF 11/18) ließ die Alarmglocken klingen.

Die chinesische Strategie, die globale Technologieführung durch gezielte Firmenkäufe und ohne übertriebene Rücksichtnahmen auf geistige Eigentumsrechte zu erringen, läßt sich in dem Parteidokument „Made in China 2025“ nachlesen. Die klassische Methode in Deutschland ist Übernahme mittelständischer Maschinenbauer und der Transfer von Patenten, Blaupausen und Maschinenpark nach China. Dabei ging das Erfahrungswissen deutscher Ingenieure freilich meist verloren. Aussichtsreicher bleibt es, ausländische Firmen bei den obligatorischen Gemeinschaftsunternehmen zur Herausgabe von Technologien an den chinesischen Partner und Staat zu nötigen. Die Technologiegiganten Huawai, Alibaba, Baidu und Trescent dienen Chinas Aufrüstung in Sachen Cyber-Krieg, Spionage, Sabotage und Desinformation. Der Verkauf des Aachener Halbleiterspezilisten Aixtron scheiterte an einem Veto Barack Obamas: Der Regierungsausschuß CFIUS sorgte sich um die US-Filiale von Aixtron (JF 50/16).

In Deutschland konnten bislang Investitionsverbote bei mehr als 25prozentigen Beteiligungen von Nicht-EU-Firmen bei Gefährdung der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung oder bei Internet- und Rüstungsbetrieben ausgesprochen werden. Unter dem Eindruck der Kuka-Affäre aktiviert der damalige Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) 2017 diese seit mehr als einem Jahrzehnt schlummernden Bestimmungen: Nach monatelangen Prüfverfahren wurden zwei chinesische Übernahmen vereitelt. Die Firma Yantai Taihai, der in China Bilanzfälschungen vorgeworfen werden und die zu Jahresanfang den insolventen AKW-Lieferanten Duisburg Tubes Production AG geschluckt hatte, bemühte sich vergeblich, den westfälischen Mittelständler Leifeld Metal Spinning mit seinen 200 Mitarbeitern zu übernehmen.

EU-weites Veto-Recht bei strategischen Industrien?

Leifeld ist Technologieführer bei Hochleistungsdruckwalzen und produziert Werkzeugmaschinen zur Umformung von Titanstählen, die in Bremskolben, Kupplungen und Windradgehäusen oder in Triebwerksteilen und Tankböden in Flugzeugen und Raketen verwendet werden. Der Staatskonzern SGCC wollte das „50 Hertz“-Leitungsnetz, das 18 Millionen Stromkunden in Mitteldeutschland, Berlin und Hamburg versorgt und Windstrom nach Süddeutschland transportieren soll, übernehmen. Eine 20-Prozent-Sperrminorität wurde flugs an die staatliche Förderbank KfW übertragen. Jetzt hat das CDU-geführte Wirtschaftsministerium die von Machnig angestoßene Gesetzesnovelle in die interministerielle Abstimmung eingebracht. Schon ab 15 Prozent sollen künftig außereuropäische Investitionen in „sensiblen Wirtschaftsbereichen“ von der Rüstungs- bis zur Wasserwirtschaft genehmigungspflichtig werden.

In der EU macht Frankreich Druck und fordert ein EU-weites Veto-Recht bei strategischen Industrien. Doch die EU-Kommission und das Europaparlament befürworten nur Konsultativrechte bei der „kritischen Infrastruktur“, dem Telekom- und Rüstungssektor, Medienunternehmen und dem Ackerland. Entscheidungen sollen weiter national getroffen werden, zumal Griechenland, Portugal und viele Balkanstaaten bereits große Teile ihrer Verkehrs- und Energieinfrastruktur an die Chinesen  – am westlichen Ende ihrer neuen Seidenstraße (JF 44/16) – verscherbelt haben.

Doch auch in Deutschland gilt zuweil: Lieber ein Chinese als ein raffgieriger US-Heuschreckenfonds, der das Führungspersonal herauswirft und die Firma mit irrwitzigen Renditen ausplündert. Auch die oberpfälzische Grammer AG, die weltweit mit 13.000 Mitarbeitern Autositze und Kopfstützen herstellt, sieht das chinesische Familienunternehmen Ningbo Jifeng als „weißen Ritter“ und Retter vor der Übernahme durch den bosnischen Hastor-Klan (JF 23/17), dessen Prevent-Gruppe sich durch Lieferboykotts und Prozeßhanseleien gegen VW und Daimler und eine ruppige Personalführung einen „Namen“ machte.

Daimler und BMW vereinbarten jüngst mit chinesischen Partnern und dem Segen der Bundesregierung eine Kooperation zum „autonomen Fahren“, die die massive Weiterleitung sensibler Daten beinhaltet. Allzuviel sollte man sich von der „neuen“ nationalen CDU-Industriepolitik à la Peter Altmaier und Angela Merkel doch nicht versprechen.

Bericht über das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS):  fas.org/