© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

DVD: Thelma
Mysteriöse Kräfte
Werner Olles

In Brian De Palmas Klassiker „Carrie“  (1976) klärt eine vom religiösen Fanatismus geleitete Mutter ihre Tochter nicht über die körperliche Entwicklung auf, so daß das sensible Mädchen bei Beginn der Pubertät in Panik gerät. Es reagiert mit blinder Rebellion und stellt dabei fest, daß es übernatürliche Kräfte besitzt, die es nun zur Rache an seinen Mitmenschen einsetzt. „Carrie“ ist ein effektbewußter Horrorfilm mit tiefenpsychologischen und sexuellen Metaphern sowie einer überzeugenden Hauptdarstellerin (Sissy Spacek). 

Über vierzig Jahre später inszenierte der preisgekrönte norwegische Regisseur Joachim Trier mit „Thelma“ (Norwegen, Frankreich, Dänemark, Schweden 2017) einen romantischen Mystery-Thriller, der erkennbar auf den Spuren von Brian de Palma wandelt, ohne jedoch mit dessen saftigen Horror-Elementen zu jonglieren. Thelma (Eili Harboe), eine junge Norwegerin, die in der ländlichen Idylle eines Dorfes aufgewachsen ist, zieht gegen den Willen ihrer bigotten Eltern in die Hauptstadt Oslo, um hier zu studieren. Sie verliebt sich leidenschaftlich in ihre Kommilitonin Anja (Kaya Wilkins). Doch schon bei ihrer ersten Begegnung in der Universitätsbibliothek bekommt sie einen Anfall und wird daraufhin im Krankenhaus auf Epilepsie untersucht. Nachdem die Ärzte nichts feststellen können und Thelma die in ihr erwachenden übernatürlichen Kräfte immer stärker spürt, beginnt sie nachzuforschen und erfährt dabei mehr über ihre lange verdrängte tragische Familiengeschichte …

Joachim Triers Film führt in ein kontemplatives Mysterium, das langsam einen ganz eigenen Sog entfaltet. „Thelma“ beweist eine Neigung zum suggestiven atmosphärischen Detail und baut aus einer Vielzahl realistischer, aber auch übernatürlicher Vorgänge durch geschickte Irritationen eine Aura des Geheimnisvollen auf. Hypnotisch wird der Zuschauer hineingezogen in die magische Ausstrahlung der jungen Frau und ihre übersinnlichen Fähigkeiten, die so gar nicht in unsere moderne Vorstellungswelt passen. Zu verdanken ist dies der Hauptdarstellerin Eili Harboe und ihrem überaus feinsinnigen Spiel. Der Film kommt fast gänzlich ohne Spezialeffekte aus, sondern stellt die tragische Geschichte seiner Heldin in den Mittelpunkt. 

DVD/Blu-ray: Thelma. KochMedia 2018, Laufzeit etwa 121 Minuten