© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Dandyhafter Höllenfürst
Ein Klassiker neu aufgelegt: Honoré de Balzac blickt humorvoll auf das Wirken des Teufels
Georg Alois Oblinger

Spätestens als der katholische Theologe Herbert Haag im Jahr 1969 sein Buch „Abschied vom Teufel“ veröffentlichte, war die Aufklärung und die mit ihr verbundene Entmythologisierung auch in der katholischen Kirche angekommen. Was in den Jahrhunderten zuvor in Predigten verkündet und von Inhabern katholischer Lehrstühle gelehrt wurde, schien endlich der Vergangenheit anzugehören. Was aufgeklärte Menschen schon immer behaupteten, schien nun auch die katholische Geistlichkeit nach langem Zögern begriffen zu haben: Einen Teufel gibt es nicht, und wo er in der Bibel oder in überlieferten Gebeten erwähnt wird, ist er eine „mythologische Figur“ – um nochmals einen von Herbert Haag geprägten Begriff zu erwähnen.

Doch die offizielle Lehrmeinung der Kirche schaut anders aus, selbst noch fünfzig Jahre nach Haags aufsehenerregendem Buch. Der Katechismus der katholischen Kirche (KKK) widmet dem Teufel viele Kapitel: 391–395; 1033–1037; 2846–2849; 2850–2854. Er ist eine personale Gestalt, die als Engel geschaffen wurde, sich dann aber gegen Gott aufgelehnt hat. Nach wie vor kämpft er gegen Gott und versucht, die Menschen zum Bösen zu verführen. Jesus Christus hat in seiner Auferstehung Sünde, Tod und Teufel besiegt. In begrenzter Weise darf der Teufel noch auf Erden wirken, bis er am Ende der Zeiten bei der Wiederkunft Christi für immer in die Hölle gestoßen wird.

Mit Franziskus gibt es nun einen Papst, der wesentlich häufiger als seine beiden Vorgänger vom Teufel spricht. Das mag mit seiner südamerikanischen Herkunft zusammenhängen, wo die Bevölkerung auch heute noch sehr stark von einem Glauben an gute und böse Geister geprägt ist; das mag aber auch mit seiner Zugehörigkeit zum Jesuitenorden erklärt werden, in dem die Exerzitien des heiligen Ignatius und die dort gelehrte Unterscheidung der Geister einen zentralen Stellenwert einnehmen.

Eine Groteske nun erstmals in deutscher Übersetzung

Am Tag nach seiner Wahl zum Papst sagte Franziskus in einer Predigt: „Wer nicht zum Herrn betet, betet den Teufel an.“ In seinem letzten Apostolischen Schreiben über die Heiligkeit des christlichen Lebens, mahnt er zur Wachsamkeit, „um den Versuchungen des Teufels zu widerstehen und das Evangelium zu verkünden“. Auch zum Thema Kindesmißbrauch sagte der Papst immer wieder: „Da ist der Teufel am Werk.“ Und in einem Interview präzisierte er, „er ist keine diffuse Sache; er ist eine Person“. Diese Person beschreibt er mit den Worten: „Er ist intelligenter als wir. Er läßt dich umfallen. Er verdreht dir den Kopf.“

Auch in der Literatur war der Teufel immer ein Thema. In Dantes „Göttlicher Komödie“ wird sein Wirken ausgiebig dargestellt, und John Milton räumt ihm in seinem Werk großen Platz ein.  Goethe beschrieb ihn als „Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“. Doch in den letzten Jahrhunderten trat er dann als Person immer weniger in Erscheinung. Wenig bekannt ist, daß der große Romancier Honoré de Balzac (1799–1850), der mit seiner „Menschlichen Komödie“ ein breites Panorama der Gesellschaft seiner Zeit vorgelegt hat, zwei kleine Frühwerke über den Teufel verfaßt hat. Eine dieser beiden Grotesken wurde jetzt erstmals ins Deutsche übersetzt, die andere nur einmal im Jahr 1845. Ein von Ulrich Esser-Simon herausgegebener Sammelband vereint nun diese beiden satirischen Erzählungen.

Die erste trägt den Titel „Die Komödie des Teufels“ und spielt damit sowohl auf die „Menschliche Komödie“ als auch auf Dantes Meisterwerk „Die göttliche Komödie“ an. Hier wird ein modisch-eleganter Teufel gezeigt, der lässig-pfeifend und immer spöttelnd im Sessel sitzt. Zu seiner Zerstreuung möchte er eine Komödie aufführen lassen. Die Erzählung ist zweigeteilt. Im ersten Teil werden ein Baumeister, ein Direktor und die Hauptdarsteller für das Stück gesucht. Im zweiten Teil wird schließlich die Komödie aufgeführt. Zahlreiche Prominente aus Balzacs Gegenwart und Vergangenheit treten auf, unter ihnen Adam, Kleopatra, Sokrates und Friedrich der Große. Sie alle müssen den Spott des dandyhaften Höllenfürsten über sich ergehen lassen.

„Der Pakt“ ist eine Novelle, die Balzac in den Roman „Le Tartare“ eingearbeitet hat, die jedoch völlig selbständig ist und in der Tradition des Schauerromans des 19. Jahrhunderts steht. Hier wird der Teufel als „Wesen von bizarrem Aussehen“ beschrieben. Er bietet einem jungen Mann für dessen Seele ein zweihundertjähriges Leben auf der Erde und die Möglichkeit, in alle gewünschten Personen zu schlüpfen. Nach dem Reichen, dem Mächtigen, dem Poeten und anderen beneidenswerten Personen, findet er schließlich die Rolle, die ihn wirklich glücklich sein läßt und die erst in der Schlußpointe enthüllt wird.

Balzac, der in mehreren Ehen und außerehelichen Beziehungen sein Glück suchte, den Luxus liebte, stets hoch verschuldet war, daher viel schreiben mußte, aber auch unter der Zensur litt, hatte ein ambivalentes Verhältnis zur Religion. Menschlichkeit schätzte er weit mehr als Frömmigkeit; doch er erkannte, daß letztere oftmals erstere bedingte. Seine Frühwerke über den Teufel sind eine erhellende und erheiternde Ergänzung zu seiner „Menschlichen Komödie“.

Honoré de Balzac: Die Komödie des Teufels. Der Pakt. Zwei Grotesken. Marix Verlag, Wiesbaden 2018, gebunden, 160 Seiten, 16 Euro