© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Weniges läßt sich mit Gendertheorie erklären
Jahresbilanz der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Drei Milliarden Euro für 32.481 Forschungsprojekte
Christoph Keller

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) konnte ihr Budget nochmals steigern: 3,07 statt 2,97 Milliarden Euro flossen 2017 dem 1951 gegründeten und mit Abstand größten deutschen Wissenschaftsförderer aus den Etats von Bund und Ländern zu. Geld, mit dem sie derzeit 32.481 Projekte unterstützt – das waren tausend mehr als ein Jahr zuvor (JF 36/17).

In ihrem Vorwort zum Jahresbericht 2017 betonen Peter Strohschneider, der DFG-Präsident, und seine Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek, daß diese stolze Summe in „erkenntnis- und wissenschaftsgeleitete Forschung“ fließe. Gibt es auch nicht-wissenschaftsgeleitete Forschung? Jenseits des DFG-Horizonts schon. Paradebeispiele sind die Gender-, Migrations-, die kritische Weißseins- und eine den Islam notorisch verniedlichende Antisemitismus-„Forschung“, die allesamt weniger Erkenntnis als Multikulti-Ideologie vermitteln.

Sind in Afrika Prozesse an der Alltagsmode abzulesen?

Nicht „Populisten“, sondern solche wissenschaftsfernen Disziplinen mitsamt der alarmistischen Klimaforschung haben dem Ruf der Wissenschaft, objektive Wahrheit zu bieten, am meisten geschadet. Da die DFG-Führung jedoch penetrant auf Willkommenskultur fixiert ist, ist man beim „Marsch für die Wissenschaft“ vorne dabei, um nicht gegen Gender-Obskuranten, sondern gegen deren Kritiker zu protestieren. Wer solche Allianzen eingeht, ist dann genötigt, das Gütesiegel „wissenschaftsgeleitet“ für alles zu verwenden, was von der DFG finanziell und politisch gefördert wird.

Der Verdacht, ob neben dem Erkenntnisgewinn nicht auch One-World-Propaganda zum DFG-Förderauftrag zählt, drängt sich überdies bei manchen der derzeit generös alimentierten geistes- und sozialwissenschaftlichen Projekte auf. Mitunter irritiert schon die an DDR-Parolen erinnernde Phraseologie. So lobt eine Ökologie, Siedlungs- und Verkehrsstrukturen in Abidjan (Elfenbeinküste) studierende Bonner Stadtethnologin die Unterstützung lokaler Kollegen beflissen als „große Bereicherung“ und erläutert in verniedlichender George-Orwell-Diktion, daß „die öffentliche Hand in Afrika ihre Aufgaben nicht immer überall gut“ wahrnehme.

Daß die Linguisten Horst Simon (FU Berlin) und Heike Wiese (Potsdam) im ehemaligen Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika der aussterbenden deutschen Sprache nachtrauern, mag nachvollziehbar sein. Befremdlicher wirkt, wenn die Münchner Kunsthistorikerin Kerstin Pinther auf DFG-Kosten nach Lagos (Nigeria) und Duala (Kamerun) fliegt, um dort gesellschaftspolitische Prozesse an der Alltagsmode abzulesen, oder zwei Konstanzer Forscher „soziokulturellen Dynamiken“ des „zivilgesellschaftlichen Aktivismus“ in Südafrika und Birma (Myanmar) nachspüren. Das sind Projekte, die angesichts der Tatsache, daß Afrika mit der epochalen, alle Klimawandel-Kalamitäten zur Quantité négligeable eindampfenden Herausforderung Bevölkerungsexplosion konfrontiert ist, wohl reichlich randständig wirken.

Bei den naturwissenschaftlichen DFG-Projekten herrscht hingegen ein ganz anderes, wirklich auf Erkenntnis des Wesentlichen geeichtes Ethos. So fragt ein deutsch-ugandisches Kooperationsprojekt nach züchterischen Verbesserungen von Sorghum-Hirse, dem für viele Afrikaner in der Subsahara-Zone wichtigsten Grundnahrungsmittel. Ziel ist, aus der Genbank in Entebbe, wo seit Jahrzehnten Sorghum-Saatgut gesammelt wird, Sorten zu gewinnen und zu etablieren, die bei extremer Trockenheit und Hitze ohne chemische Schädlingskeulen sichere Erträge generieren.

Von ebenso hoher Praxisrelevanz ist, was der Parasitologe und Tropenveterinär Peter-Henning Clausen (FU Berlin) zusammen mit afrikanischen Forschern untersucht. Sein Projekt, dessen letzte Förderphase die DFG 2017 bewilligt hat, will den Tierhaltern Nord-, Ost- und Zentralafrikas gegen das existenzvernichtende Wüten von einzelligen Parasiten (Theileria parva) beistehen, die jedes Jahr Tausende von Rindern dahinraffen. Um die Blutparasiten zu bekämpfen, die bisher alle großflächigen Pestizideinsätze gegen Zecken, ihre Überträger, überstanden haben, sollen effektivere Impfstoffe entwickelt werden. In Betracht kommen nur lokale Lösungen, da infizierte Zelllinien nicht überall im betroffenen Gebiet Rinder immunisieren.

Zusammenarbeit mit chinesischen Forschern

In Ägypten wollen die Forscher nun testen, ob ihre Impfstoffe Tiere unter Feldbedingungen zuverlässig schützen. Rinderherden in Tunesien und im Sudan stehen als nächstes auf der Impfliste. Nachdem Clausen Befürchtungen der Regierung in Uganda, der „Impfcocktail“ aus drei verschiedenen Erregertypen könne neue Keime ins Land schleppen, zerstreut hat, laufen Immunisierungsversuche demnächst auch dort an.

In anderen Naturwissenschaften wie Astrophysik, Materialwissenschaft, Meteorologie und Geologie fällt einerseits auf, wie nachdrücklich die Bonner Geldgeber die bilaterale Kooperation, vor allem mit Universitäten und Instituten in China ausbauen, und wie andererseits deren Agenda von umweltpolitischen Herausforderungen diktiert wird. Aber nicht ausschließlich, wie die Zurüstungen für die neue Ära der Astrophysik zeigen. Sie begann 2017, als der Nachweis der von Albert Einstein vorhergesagten Gravitationswellen (JF 8/16 ) sowie die Messung des „Nachhalls“ von Kollisionen bei der Verschmelzung von Neutronensternen gelangen (JF 38/17). Um realitätsgerechtere Simulationen von Gravitationswellen zu ermöglichen und die derzeit empfindlichsten Detektoren zu perfektionieren, bewilligte die DFG einem deutsch-amerikanisch-chinesischen Physikerteam weitere Beihilfen.

An Chemiker der TU Darmstadt und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften fließt Geld, um deren Arbeit an einer neuen Generation von Katalysatoren zu beschleunigen. Nicht weniger als der „Weg zur grünen Chemie durch die Rohstoffwende“ öffne sich, so lautet die Vision, wenn herkömmliche metallische Katalysatormaterialien erst durch graphitische Kohlenstoffe ersetzt seien. Ähnlich „grüne“ Konzepte verfolgen Materialwissenschaftler aus Karlsruhe und Shanghai, die an den Grundlagen für die Produktion von Feststoffbatterien forschen, den möglichen zukünftigen Energiespeichern für E-Mobile.

Natürlich vergeht kein Förderjahr, ohne die Klimaforschung zu bedenken. Aber zur Befeuerung globaler Dystopien scheinen laufende Projekte eher ungeeignet. So ist der Biogeograph Georg Miehe (Marburg) im Hochland Äthiopiens unterwegs, um prähistorische Eingriffe ins größte alpine Ökosystem Afrikas aufzuklären. Und ebenso strebt Antje Schwalb (TU Braunschweig) aufwärts, um auf dem Tibet-Plateau ein „Geoökosystem im Wandel“ zu beobachten.

Schwalb allerdings hat mehr als die Region im Blick, weil die Hochebene am Himalaya eine wichtige Rolle für Wasser-, Energie- und Stoffhaushalt des Planeten Erde spielt. Die Verhältnisse dort wirken auf das Wetter im Nordatlantik, das wiederum auf das Monsunsystem des indischen Subkontinents zurückwirke, und in jüngster Zeit würden sich zudem Hinweise mehren, daß sie das Wetter in ganz Europa beeinflussen.