© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/18 / 24. August 2018

US-Mißbrauchsskandal in der katholischen Kirche
Null Toleranz für alle
Jürgen Liminski

Bei Mißbrauch mit Kindern predigte Christus eine harte Null-Toleranz: „… für den wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er in der Tiefe des Meeres versenkt würde“ (Matth. 18,6). Es gibt keine Ausnahmen für Geistliche, gleich welchen Ranges. Das sah Papst Benedikt genauso, und auf dieser Linie bewegt sich auch Papst Franziskus in seinem jüngsten Brief, kurz vor dem Weltfamilientreffen in Dublin.

Reue, Bitte um Vergebung, juristische Aufarbeitung der Vergangenheit und Versuche der Wiedergutmachung sind das eine. Das andere sind Ursachenforschung und Prävention. Es ist klar, daß gerade bei der Ausbildung für die Seelsorge sowohl bei der Auswahl der Kandidaten als auch bei den Lehrplänen mehr Gewicht auf die affektive Persönlichkeit und die Psychologie gelegt werden muß. Es greift jedenfalls zu kurz, nur das Zölibat abschaffen zu wollen, so als ob der Gebrauch der Sexualität das elfte Gebot wäre. Die weitaus meisten Mißbrauchsfälle geschehen im Verwandtenkreis und in Vereinen, ausgeübt auch von verheirateten Männern.

Und: Gilt die Null-Toleranz nur für Seelsorger? Es fällt auf, daß beim Stichwort Mißbrauch in den meisten Medien eine Art Pawlowscher Reflex funktioniert. Man denkt sofort an die katholische Kirche. Aber wie steht es mit Psychologen, Trainern und Politikern?