© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/18 / 24. August 2018

Eine „große Demütung“ für die gesamte Kirche
USA: Der jahrelange sexuelle Mißbrauch von Minderjährigen in der Katholischen Kirche ensetzt Vatikan / US-Bischofskonferenz will noch konsquenter vorgehen
Josef Hämmerling

Mit Entsetzen reagierte die amerikanische Bischofskonferenz auf die Ergebnisse der zweijährigen Untersuchung eines Geschworenengremiums des Staates Pennsylvania über jahrelangen sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen in der Katholischen Kirche der USA. Kardinal Daniel N. DiNardo, Leiter der United States Conference of Catholic Bishops, meinte in einer gemeinsamen Erklärung mit Bischof Timothy L. Doherty, dem Direktor des Komitees für den Schutz von Kindern und Jugendlichen, die Ergebnisse müßten lückenlos aufgeklärt, die Täter bestraft und alles unternommen werden, damit sich so etwas nicht wiederhole. Nach Ansicht der Geistlichen müsse die 2002 verabschiedete und 2011 sowie 2018 überarbeitete Charta für den Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Zukunft noch konsequenter angewendet werden, um derartige Vorkommnisse unmöglich zu machen.

Dem 884 Seiten starken Bericht der Grand Jury zufolge, die rund eine halbe Million Dokumente sichtete, die bislang in den Geheimarchiven der Bistümer lagen, wurden alleine in Pennsylvania in den vergangenen 70 Jahren mindestens eintausend Kinder sexuell mißbraucht. Insgesamt sollen mehr als 400 Personen an den Vorfällen beteiligt gewesen sein, darunter mehr als 300 Priester. Allerdings war dies wohl nur die Spitze des Eisbergs. „Wir denken nicht, daß wir alle gekriegt haben“, sagte der Generalstaatsanwalt von Pennsylvania, Josh Shapiro. Auch die Zahl der Opfer liege wahrscheinlich deutlich höher, da sich viele nicht gemeldet hätten. Shapiro geht insgesamt von Tausenden Opfern aus. Seinen Worten zufolge gab es eine „jahrzehntelange Vertuschung“ durch hohe Kirchenkreise, die bis in den Vatikan reiche. Dadurch seien nahezu alle Fälle verjährt, lediglich gegen zwei Priester konnte noch Anklage erhoben werden. 

„Kriminell und moralisch verwerflich“

In Pennsylvania verjährt sexueller Mißbrauch von Minderjährigen, wenn das Opfer 30 Jahre alt wird. Zwar gab es Versuche, dieses Alter hochzusetzen, doch auf massiven Druck der Kirche konnte im Parlament des US-Ostküstenstaats hierfür keine Mehrheit erzielt werden.

Der Bericht führt erschreckende Beispiele auf. So habe ein Priester in verschiedenen Gemeinden Dutzende Kinder vergewaltigt. Gab es Beschwerden, wurde der Mann von den Kirchenoberen immer wieder in andere Gemeinden versetzt. Einer der schlimmsten Fälle ereignete sich in Pittsburgh, wo sich vier Priester gemeinsam an einem Jungen vergingen, den sie dabei auch zwangen, in einem Pfarrhaus nackt die Pose Jesu am Kreuz einzunehmen. Ein anderer Priester mißbrauchte fünf von acht Schwestern einer von ihm seelsorgerisch betreuten Großfamilie. Dies habe „emotionale, psychologische und zwischenmenschliche Langzeitschäden hinterlassen“, heißt es in dem Bericht.

Der frühere Bischof von Pittsburgh und heutige Erzbischof Washingtons, Donald Wuerl, widersprach jedoch der Darstellung, die Kirche habe nichts gegen all das getan. So sei er selbst in den Vatikan gefahren und habe die Wiedereinstellung eines Priesters verhindert. Auch habe es Maßnahmen zum Opferschutz und zur Hilfe für Betroffene gegeben. In dem Bericht heißt es dagegen, Wuerl gehöre zu den „prominenten Vertuschern“. Der Vatikan zeigte sich entsetzt und äußerte „Scham und Bedauern“ über die Vorfälle. Die in dem Bericht genannten Taten seien „kriminell und moralisch verwerflich“. Vor allem, so Vatikan-Sprecher Greg Burke, müßten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. 

Bereits im Juli war Wuerls Vorgänger in Washington, Kardinal Theodore McGarrick, von Papst Franziskus suspendiert und mit Hausarrest bestraft worden, wo er ein „Leben in Gebet und Buße“ führen soll. Weiter betont der Papst, die katholische Kirche müsse und werde „harte Lehren“ aus ihrer Vergangenheit und den um die ganze Welt reichenden Vorwürfen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern ziehen. Er nannte die jetzigen Vorwürfe eine „große Demütigung“ der gesamten Kirche.