© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/18 / 24. August 2018

Pankraz,
P. Altmaier und der National-Kapitalismus

Wir haben nun mal seit Konfuzius den National-Kapitalismus, wie immer wir ihn auch nennen mögen, da passiert dauernd so etwas.“ So sprach ein chinesischer Kollege zu Pankraz, nachdem ihn dieser auf den Kauf von fast zehn Prozent der Daimler-Aktien durch einen chinesischen  Großkonzern angesprochen hatte. „Unsere Leute wollen damit nicht nur Geld verdienen“, fuhr der Mann fort, „sondern auch und vor allem lernen, Einblick in die technologischen Tricks des deutschen Unternehmens gewinnen, um sie nachzuahmen und praktisch weiterzuentwickeln und zu optimieren. Das ist uns eingeboren.“

Pankraz mußte an Deng Xiaoping (1904–1997) denken, den führenden Pekinger Politiker der Nach-Mao-Tsetung-Zeit, der einst Maos kommunistischen Dogmatismus in Wirtschaftsfragen souverän beiseite gewischt hatte. „Es kommt nicht darauf an“, sagte Deng damals in einem hstorisch gewordenen Gleichnis, „ob die Katze weiß“  (wollte sagen: kommunistisch)  „oder schwarz“ (kapitalistisch)  „ist, sondern ob sie ordentlich Mäuse fängt.“ Die schwarze Katze, konstatierte Deng, fängt viel besser als die weiße, und deshalb entscheiden wir Chinesen uns für die schwarze.“

Tatsächlich wurde die chinesische Wirtschaft seitdem weitgehend privatisiert – und nahm den erwarteten Aufschwung. Unzählige Unternehmen schossen buchstäblich wie Pilze aus dem Boden und sorgten für die Stillung populärer Wünsche und Bedürfnisse. Der Staat mischte sich nur noch in gewissermaßen „großem Stil“ ein, wenn es etwa galt, riesige, durch die neue Konjunktur verursachte Umweltverschmutzungen einzugrenzen. Im Vergleich mit längst bestehenden gesetzlichen Regelungen in Deutschland muß man konstatieren, daß China da noch einen sehr großen „Nachholbedarf“ hat.


Anders verhält es sich freilich bei Beteiligungen chinesischer Unternehmen an internatonalen Aktiengesellschaften beziehungsweise bei Einstiegsversuchen internationaler Investoren in chinesische Industrie- und Technologie-Konzerne. Hier tritt zutage, daß der Staat ein erstrangiges Interesse an jedem operativen Detail hat und sich überall energisch einmischt. Der Begriff der „Globalisierung“ ist für Peking ein Fremdwort, schlimmer noch: ein Lügenwort, hinter dem sich angeblich nur allzu oft höchst egoistische Interessen konkurrierender Imperien oder Möchtegern-Imperien verbergen.

Ob dem wirklich so ist, darüber kann man viel streiten; ein Blick auf den globalen Investoren- und Beteiligungsbetrieb läßt eher gegenteilige Vermutungen aufkommen. Es dominiert dort offenbar  – wie es ja eigentlich auch natürlich ist – eine diffuse Abzockermentalität, man will nichts weiter als so schnell wie möglich exorbitanten finanziellen Gewinn machen. Ideologisch vorbelastete Gestalten wie George Soros, die mit ihren Investitionen unverhüllt Politik machen wollen, sind selten und erzeugen auf Dauer nur Ärgernis und Widerstand.

Der von den Chinesen ins Spiel gebrachte „nationale Kapitalismus“ bedeutet insofern eine echte Neuerung. Er mischt sich nicht à la Soros in die Politik der Länder ein, in denen man investiert oder in die man sich per Aktien einkauft; man will aber auch nicht einfach  Geld verdienen, nicht  einfach absahnen. Vielmehr geht es um eine Art höhere, „edle“ Art von Technologie-Spionage, um „Lernen“. Man kauft sich in eine ausländische Firma ein, um deren technologische Strategien und Erfolgsrezepte bis auf den Grund kennenzulernen und sie zu übernehmen, um sie zu Hause den eigenen Mentalitäten  anzupassen. 

Für Deutschland, eine von den Chinesen schon immer respektierte und repektvoll ausgenutzte „Nation von Oberlehrern“, ergeben sich da gewisse Probleme, die bis in die hohe Politik hineinreichen. Solange die Chinesen aus Lerngründen lediglich mittelständische Roboterfirmen wie Kuka in Augsburg aufkauften, schwieg man noch taktvoll, doch der jetzige massive Einstieg bei Daimler hat Berlin aufgeweckt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ließ verlauten, daß er eine neue gouvernementale Einspruchsregelung bei Aktienbewegungen anstrebe und sie bald auch durchzusetzen hoffe.


Bisher wurde jene Sache sehr zurückhaltend und gleichsam globalisierungsfreundlich gehandhabt. Es gab eine Meldepflicht der Unternehmen, wenn ein Aktionär 25 Prozent aller Unternehmensanteile in seinen Besitz bringen wollte, und das auch nur, wenn es sich um eine „empfindliche“ Firma handelte, was immer das bedeuten mochte. Künftig, so Minister Altmaiers Plan, soll die Prozentzahl auf mindestens 15 Prozent gesenkt werden, und auch die „Empfindlichkeit“ soll in Hinblick auf allgemeines Wohl und staatliche Sicherheit für jedermann  genauer umschrieben werden. 

Selbst diese schüchternen Pläne haben allerdings schon medialen Widerspruch erregt. Die Frankfurter Allgemeine Zei-tung warnte in ihrem Wirtschaftsteil: Staatliche Einsprüche gegen Vermögensveränderungen im Unternehmensbereich dürften um Himmels willen nicht zur Regel werden, müßten unbedingt die Ausnahme bleiben. Denn das Kapital sei bekanntlich ein „scheues Reh“, obwohl es doch gerade jetzt im Zeichen der Digitalisierung so dringend gebraucht werde, besonders für den deutschen Mittelstand, „um den uns die Welt beneidet“ (FAZ) und der zwar technologisch brillant sei, aber leider seit längerem chronisch unerfinanziert.

Nun, wenn die Dinge bei Investitionen und Aktienkäufen so weitergehen wie bisher, wird bald auch vom brillanten  deutschn Mittelstand nicht mehr viel übrig sein. Was lernt man daraus? Nationaler statt globaler Kapitalismus tut not. Deutsche Regierungs- und Wirtschaftsdelegationen in Peking fordern routinemäßig, deutsche Investoren und Aktionäre müßten in China endlich so viele Rechte erhalten wie chinesische in Deutschland. Aber nur umgekehrt würde ein Schuh daraus: Chinesische Investoren und Aktienkäufer in Deutschland sollten nichr mehr Rechte haben als deutsche in China.