© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/18 / 24. August 2018

CD-Kritik: Erna Berger & Hermann Prey
Züge der Lebensalter
Jens Knorr

Die Aufnahmen aus den 1950ern des vorigen Jahrhunderts dokumentieren eine Begegnung der seltenen Art. Obwohl sie nach ihrem Bühnenabschied bis weit in die sechziger Jahre hinein Liederabende gegeben hat, gehört Erna Berger stilistisch zu den Sängern der Vorkriegszeit, Hermann Prey, der Ausbildung und Laufbahn in den Fünfzigern begonnen hat, zu den Sängern der Nachkriegszeit. Im „Italienischen Liederbuch“ von Hugo Wolf, eingespielt 1959 mit Günther Weissenborn am Klavier, zeichnen die „späte“ Berger und der „junge“ Prey – mit Thomas Mann zu sprechen – das „Menschenantlitz schlechthin, in dem die Züge der Lebensalter changieren, Jugend aus Alter, Alter aus Jugend magisch hervortritt“.

Hier und auch in Schumanns „Frauenliebe und -leben“ singt sie innig, nicht süßlich, leicht, nicht leichtfertig, „mit Jugendzeichen geschmückt die Altersgestalt“ der Stimme, wie im Rückblick des nichtvertonten Schlußgedichts aus Chamissos Zyklus. Hier und in Brahms’ „Ernsten Gesängen“ singt er schlicht und natürlich und stellt seinen exzeptionellen Bariton in den Dienst des Gesungenen, nicht des vermuteten Publikumsgeschmacks. Die Rolle als Gegenspieler des übermächtigen Fischer-Dieskau hat er da noch nicht angenommen. Sie wird Stimme und Stimmbesitzer nicht guttun. Im Keimstadium wirken Preys Marotten durchaus sympathisch.

Erna Berger & Hermann Prey Wolf, Schumann, Brahms Profil Edition Günter Hänssler 2018  www.haensslerprofil.de