© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

Ländersache: Schleswig-Holstein
Boostedts Bürger zürnen
Christian Schreiber

Die Gemeinde Boostedt hat rund 4.500 Einwohner. Bis in die Landeshauptstadt Kiel sind es rund 65 Kilometer. Doch die Vorkommnisse in der kleinen Gemeinde beschäftigen nun auch die Landespolitik. In einem Interview mit den Kieler Nachrichten machte Boostedts Bürgermeister Hartmut König (CDU) seinem Ärger Luft. „Wir Boostedter werden vom Land allein gelassen“, prangert er an. Zuviel Alkohol, zuwenig Respekt, Krawalle: Das Verhalten vieler Bewohner aus der Landesunterkunft (LUK) sei rüpelhaft. 

Konkret gehe es ihm um diejenigen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. „Zu uns kommen nur noch diejenigen, die nichts mehr zu verlieren haben“, sagt König. Mehr als 1.200 Menschen leben in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in einer ehemaligen Bundeswehr-Kaserne. 800 von ihnen wissen bereits, daß sie nicht in Deutschland bleiben können. „Wo viele Menschen ohne irgendwelche Perspektiven sind, ohne etwas zu tun, herrscht Explosionsgefahr“, erklärt König. 

Der CDU-Politiker bestreitet, daß es in seiner Gemeinde Ressentiments gegenüber den Einwanderern geben würde. Die Boostedter hätten anfangs große Hilfsbereitschaft gezeigt, viele hätten sich ehrenamtlich für die Zuwanderer engagiert, sagt der Bürgermeister. „Das hat sich nun geändert. Das Ehrenamt ist zusammengebrochen. Das Engagement wird von den Flüchtlingen nicht gewürdigt“, so König. Der Kommunalpolitiker fühlt sich alleine gelassen. Zwar sei die Polizeipräsenz verstärkt worden, doch das reiche nicht aus. „Die Leute dürfen nicht arbeiten, wollen keinen Kontakt zur Bevölkerung, haben kein Interesse an Sprachunterricht und fallen in der Unterkunft durch Alkohol und Krawall auf.“

In der Gemeinde stehen alle Ratsfraktionen hinter dem Bürgermeister. Doch aus der Landespolitik kamen zunächst andere Signale. Von Stammtischparolen und populistischen Übertreibungen war die Rede. Die Polizei sieht dies offenbar anders. Wie die Kieler Nachrichten aus internen Protokollen der Polizei berichten, „werden die von König vorgetragenen Probleme mit Zuwanderern der Landesunterkunft bestätigt“.

Der Bürgermeister nutzt die entstandene Öffentlichkeit nun, um Druck aufzubauen. Neben Boostedt und Neumünster solle es eine dritte Landesunterkunft geben. Doch die Landespolitik wiegelt noch ab. Das Innenministerium verwies gegenüber der Zeitung darauf, daß man sich „im regelmäßigen Austausch“ mit König befinde, um die Situation zu entspannen. Vereinbart habe man, den Standort Boostedt bis November 2024 zu erhalten, die Kapazität aber ab Dezember 2019 auf 500 Personen zu reduzieren. König und den Bewohnern ist dies zuwenig. Auch die Alternative, daß die Aufnahmestelle Ende 2019 geschlossen werden könnte, hält der Bürgermeister nicht für zielführend. „Neumünster wird die Situation alleine nicht stemmen können“. 

Licht ins Dunkel soll nun eine Einwohnerversammlung am 19. September bringen. Zu dieser wird auch Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) erwartet.  Vor drei Jahren gab es schon einmal ein solches Zusammentreffen mit Politikern. Damals seien sogar Leute aus Dänemark angereist. Diesmal sollen nur die Boostedter zu Wort kommen: „Der Frust ist groß“, sagt der Bürgermeister.