© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

„Wir müssen wissen, wer wir sein wollen“
„Feindliche Übernahme“: Thilo Sarrazin hat den Koran studiert und warnt in seinem neuen Buch eindringlich vor den Folgen der Islamisierung
Jörg Kürschner

Thilo Sarrazin muß ein gefährlicher Mensch sein. Ein Gefährder des politischen Diskurses. Denn die Spitze des Staates sieht sich regelmäßig zu Warnungen veranlaßt, wenn der Erfolgsautor ein neues Buch auf den Markt bringt. „Meine Bitte an die Medien: Macht dieses Buch nicht wichtiger als es ist“, diktierte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) den Journalisten in den Block. Widerspruchslos. Mainstream-Journalismus eben.

Es ging um Sarrazins neuestes Werk „Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“, das seit heute im Buchhandel erhältlich ist. Vor acht Jahren hatte der Sozialdemokrat den Bestseller „Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ publiziert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte das Buch „diffamierend“ und „nicht hilfreich“. 

Islam ist keinesfalls eine Religion des Friedens

Jedenfalls verlor Sarrazin nach einer beispiellosen Kampagne seinen Vorstandsposten bei der Bundesbank. Beteiligt daran war Interims-Bundespräsident Christian Wulff, der formuliert hatte: „Ich glaube, daß jetzt der Vorstand der Deutschen Bundesbank schon einiges tun kann, damit die Diskussion Deutschland nicht schadet – vor allem auch international.“ Kurz nach Sarrazins Amtsverlust sagte Wulff, der bald aufgrund von Ermittlungen wegen möglicher Vorteilsannahme zurücktreten mußte, in einer Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2010: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Vor zwei Jahren sprach Merkel nicht mehr von den Deutschen, sondern von den „schon länger hier Lebenden“.

Sarrazin sieht Wulffs Feststellung in seinem neuen Buch aufgrund gesellschaftlicher Fehlentwicklungen bestätigt, vor deren langfristigen Folgen er aber eindringlich und überzeugend warnt. Ausführlich hat sich der Autor mit der Religion des Islam beschäftigt, also auch den Koran gelesen, diesen „aggressiven, ungeordneten, emotionalen und wenig abstrakten Text“. Trotz manch unterschiedlicher, auch liberaler Interpretation der 1.400 Jahre alten Religion bleibe deren Weltsicht unvereinbar mit den Wertevorstellungen der westlichen Demokratie. Wesensmerkmale des Islam seien Rückständigkeit aufgrund kulturell bedingter niedriger Bildungsleistung, Verachtung der „Ungläubigen“ (Heiratsverbot), Bekämpfung der Abtrünnigen, Einschränkung der Meinungsfreiheit durch den Koran, Unterdrückung der Frau, Kriminalität durch arabische Großclans in deutschen Städten, religiöser Fundamentalismus bis zum Terrorismus.

Der Islam sei daher keinesfalls eine Religion des Friedens, resümiert der Verfasser, der seine Auffassungen penibel durch Zitate aus dem Koran und Auswertung von Statistiken belegen kann. Schon Karl Marx äußerte: „Der Islam ächtet die Nation der Ungläubigen und schafft einen Zustand permanenter Feindschaft zwischen Muselmanen und Ungläubigen.“ Im Unterschied zur Bibel fehle dem Koran der Respekt gegenüber Andersgläubigen, schreibt Sarrazin, mit der Folge systematischer Christenverfolgung in islamischen Ländern. Sein Fazit: „Der Islam mag eine Religion sein. Tatsächlich hat er die Wirkung einer politischen Ideologie.“

Der neue Sarrazin überzeugt in vielfältiger Weise. Denn es gibt in Deutschland nur wenige islamkritische Autoren, die mit einem so klaren Schreibstil die historischen Wurzeln des Islam als Religion der Unterwerfung benennen, deren schlimme Folgen für den Alltag in Deutschland beschreiben und trotz grassierender Islambesessenheit großer Teile der Eliten vor den Gefahren der schleichenden Islamisierung des Landes warnen.

Daß diese Gefahr real ist, ist leider wahr. „Bei unveränderter demographischer Dynamik und unveränderter Einwanderung ist der Islam in Deutschland und Europa auf dem Weg zur Mehrheitsreligion“, befürchtet Sarrazin, zumal „opportunistische Anpassungen“ in der Gesellschaft bereits vielerorts zu beobachten seien. Schweinefleischverbote in Kindertagesstätten oder Trennkabinen für muslimische Schülerinnen in Hallenbädern sind die Vorboten eines Zurückweichens. Da der hohen Geburtenrate unter Muslimen eine demographische Sprengkraft innewohne, müsse deren Einwanderung begrenzt werden, um eine islamische Glaubensdiktatur zu verhindern, fordert der Autor. Ein Verbot des Kopftuchs an öffentlichen Schulen für Schülerinnen und Lehrkräfte hält er für zwingend. Frei werde die muslimische Frau erst, wenn sie sich in westlicher Kleidung überall zeigen und eine frühe Heirat (ab 9 Jahren) mit dem von der Familie ausgewählten Ehemann ablehnen könne.

Die in den städtischen Ballungszentren häufig zu beobachtende Abkapselung der Muslime führt allzu oft zu den von der Politik beklagten Parallelgesellschaften, die das Scheitern der Integrationsbemühungen belegen. Darin läßt sich auch ohne deutsche Kontakte bequem leben. Die zusätzliche Distanz durch Kopftuch und Verschleierung befördere noch die mentale Abschottung. Auf den „Inseln der Fremden“, die der frühere Berliner Finanzsenator nicht nur in der Hauptstadt ausgemacht hat, gedeiht die Ablehnung demokratischer Werte, wie das Wahlverhalten der Deutschtürken jüngst gezeigt hat. Rund zwei Drittel von ihnen haben 2017 beim Referendum in der Türkei für die Abschaffung der Demokratie gestimmt. Im Sommer dieses Jahres wurde in Berlin mit Autokorsos und Feuerwerk die Wahl Recep Tayyip Erdogans zum Präsidenten bejubelt, dem Demokratieverächter vom Bosporus.

Sarrazins auf weiten Strecken wissenschaftliche Abhandlung besticht insbesondere durch Klartext, denn der Sozialdemokrat (seit 45 Jahren SPD-Mitglied) gibt sich gewohnt unbeeindruckt von dem Konformitätsdruck, der unbequeme Meinungen ins Abseits stellen will. Um die zahlreichen unreflektierten Migrationsbejaher, die Moralsirenen in Politik und Medien, die multikulturellen Inländerfeinde schert sich der 73jährige Bildungsbürger nicht. Der Leser gewinnt vielmehr den Eindruck, daß er diese ob ihrer Ignoranz verachtet.

„Was kann man tun?“ fragt er nach über 400 Seiten sorgfältiger Analyse und gibt die richtigen Antworten: Die Einwanderung von Muslimen müsse grundsätzlich unterbunden, falsche Anreize im Sozialsystem beseitigt werden. Ein „striktes Grenzregime“ bleibe vorerst unverzichtbar. Anderenfalls werde belastbaren Prognosen zufolge der Anteil der Muslime in Deutschland 2050 bei knapp 20 Prozent liegen. Staaten wie Singapur, Kanada, Australien und Neuseeland würden kaum Einwanderer aus islamischen Ländern aufnehmen, führt Sarrazin an. Nach seiner Ansicht müßten „alle aus Seenot Geretteten ... unverzüglich wieder an den Ausgangspunkt ihrer Seereise zurückgebracht werden, nicht aber nach Europa“. 

Denn sicher ist, daß durch eine wachsende Zahl von Einwanderern die Integration immer schwieriger wird. Die Rechte von Asylbewerbern will Sarrazin drastisch einschränken (kein Anspruch auf Bewegungsfreiheit in Transitzonen, Beschneidung des Rechtswegs), im Falle einer Ablehnung sollen die Antragsteller „nach gegebenenfalls notwendiger medizinischer Versorgung“ in ihr Herkunftsland gebracht werden, „notfalls unter militärischem Schutz“. Staaten, die ungeregelte Zuwanderung unterbinden, sollten durch Zahlungen belohnt, Länder, die nicht kooperieren, dagegen „von allen Zahlungen abgeschnitten werden“. Sarrazin hält die klassische Entwicklungshilfe für weitgehend gescheitert, will Fluchtursachen durch eine Änderung der kulturellen Einstellungen in den Krisenländern bekämpfen. Hier hätte man sich vom Verfasser konkretere Überlegungen gewünscht.

Zudem gelte es, etwa im Schulunterricht, die freiheitsfeindlichen Aspekte des Islam zu thematisieren und darauf hinzuweisen, daß es in der gesamten islamischen Geschichte „keinen Fall eines toleranten Mehrheitsislam gibt“. Sarrazin zitiert Islam-Kritiker wie den Politologen Bassam Tibi, dessen Meinung von den Medien lange ausgeblendet worden ist. „Ich hätte hier viel zu sagen, aber meine Meinung will man nicht hören. Der Staat kapituliert vor dem Islam.“

Der Expertise des Verfassers zufolge ist der konservative Islam, gefördert insbesondere von Saudi-Arabien und den hiesigen islamischen Verbänden, auf dem Vormarsch. „Diesen Machtkampf muß die westliche Gesellschaft auch annehmen.“ Ansonsten würde es nur wenige Generationen dauern, bis die Deutschen zur Minderheit im eigenen Land geworden sind. Dann könnten neue Mehrheiten das Grundgesetz ändern und sich die gelebte Verfassungswirklichkeit verschieben. Ein liberaler Euro-Islam – eine Illusion.

Dies wollten etwa der „Sachverständigenrat für Integration und Migration“ (SVR) oder der „Bertelsmann-Religionsmonitor“ nicht wahrhaben. Auch wenn Geschichte unvorhersehbar bleibe, fällt Sarrazins Appell an seine Leser, an die Politik, an die Kirchen, an die Nicht-Muslime deutlich aus: „Wir müssen wissen, wer wir sind, wer wir sein wollen und was auf dem Spiel steht, und wir müssen entsprechend handeln.“

Thilo Sarrazin: Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht. Finanzbuch-Verlag, München 2018, gebunden, 496 Seiten, 24,99 Euro.





Sarrazins Erfolgs-Quartett

Deutschland schafft sich ab (2010): 

Der Titel (erschienen am 30. August) wurde zum geflügelten Wort. Die Bundeskanzlerin urteilte über das Buch, das sie nicht gelesen hatte, es sei „diffamierend“ und „nicht hilfreich“, Thesen des Buches kritisierte sie vor Veröffentlichung als „dumm und nicht weiterführend“. Dem Erfolg des Buches tat das keinen Abbruch: Es wurde zu einem der meistverkauften gebundenen deutschen Sachbücher seit 1949, hielt sich 21 Wochen in der Spiegel-Bestsellerliste und stieß eine breite Debatte an. JF-Autor Thorsten Hinz charakterisierte in dieser Zeitung die Stimmung im Lesepublikum treffend, als er schrieb, Kauf und Lektüre des Buchs würden „zu Akten des Widerstands“ (JF 36/10).

Europa braucht den Euro nicht (2012):

Sarrazin, der Volkswirt, plädierte für ein Europa der Nationalstaaten, das seine Kräfte dort bündelt, wo es zweckmäßig ist, und dort subsidiäre Flexibilität läßt, wo ein einzelnes Land dies wünscht. Der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warf dem Autor vor, er schreibe einen „himmelschreienden Blödsinn“, der seinerzeitige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, hingegen bescheinigte Sarrazin eine „saubere Analyse“, deren „Schlußfolgerung (...) man durchaus folgen“ könne.

Der neue Tugendterror (2014): 

In dem medienkritischen Sachbuch erörtert Sarrazin „die Grenzen der Meinungsfreiheit“ und stellte eine Liste von 14 Leitsätzen des „Tugendwahns“ auf, darunter „Wer reich ist, sollte sich schuldig fühlen“, „Der Nationalstaat hat sich überlebt“ oder „Alle Kulturen sind gleichwertig“. Das Buch wurde von Rezensenten der Mainstreampresse nahezu einhellig verrissen (JF 18/16).

Wunschdenken (2016): 

Schwerpunkte des 576 Seiten starken Buches sind neben der Bildungs- die Einwanderungspolitik, die Flüchtlingskrise sowie das Asylrecht. Es stand drei Wochen in der Sachbuch-Bestsellerliste. Sarrazin schreibt darin nicht ohne Humor, er habe sich „bemüht, dem Laster der Besserwisserei nicht nachzugeben“. Die Welt bescheinigte ihm, aufzutreten „wie ein Universalgelehrter“.