© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

Diskussion um den künftigen Chef der Europäischen Zentralbank
Merkels Stabilitätskultur
Joachim Starbatty

Der damalige Finanzminister Theo Waigel (CSU) verkündete vor Einführung der Europäischen Währungsunion: Alle potentiellen Mitgliedstaaten hätten die deutsche Stabilitätskultur übernommen. Das war ein Täuschungsmanöver. Bereits die Wahl des ersten Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) war ein politischer Kuhhandel: Die französische Regierung wollte ihren Kandidaten, Jean-Claude Trichet, inthronisieren, die übrigen Delegationen den niederländischen Zentralbankchef Wim Duisenberg.

So war es verabredet worden, doch Paris setzte sich durch. Das war der Beginn der Politisierung der EZB. Duisenberg machte nach der Hälfte seiner Amtszeit Platz für Trichet. Der spielte ab 2003 die französische Karte. Als in der Nacht zum 8. Mai 2010 in Brüssel das erste Griechenland-Rettungspaket vom EU-Rat verabschiedet werden sollte, hat Trichet ein finanzwirtschaftliches Inferno an die Wand gemalt, falls die Währungs- nicht zu einer Haftungsunion umgebaut würde. So geschah es. Doch stand sie auf wackeligen Füßen: Die Zinsen für die nationalen Staatsanleihen gingen immer stärker auseinander. Als sich Bundesbankchef Axel Weber für die Nachfolge von Trichet warmlief, hat Angela Merkel ihn auf hinterhältige Weise wissen lassen, daß sie sich für Mario Draghi ausspreche. Sie wußte, warum: Weber hätte sich geweigert, die EZB vertragswidrig in den Dienst der Staatsfinanzierung zu stellen.

Einen Euro in der jetzigen Form gäbe es dann nicht. Genauso ergeht es Jens Weidmann. Der Weber-Nachfolger verkörpert die deutsche Stabilitätskultur und ist damit ein Risiko für die fehlkonstruierte Währungsunion. Das paßt nicht zu Angela Merkels Motto: Der Euro ist alternativlos. Daß sie damit gegen den von ihr geschworenen Amtseid – Schaden vom deutschen Volk abzuwenden – verstößt, interessiert die Kanzlerin nicht.







Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und Abgeordneter der Liberal-Konservativen Reformer (LKR) im Europaparlament.