© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

Dorn im Auge
Christian Dorn

Wouldn’t It Be Nice?“ Als sich im Admiralspalast der Vorhang öffnet, sitzt der 76jährige Brian Wilson, Mastermind der

Beach Boys, bereits hinter dem Flügel. Das Publikum im Saal erhebt sich daraufhin, es lauscht, träumt und tanzt zur uneinholbar leichten Popmusik des US-amerikanischen Heilsversprechens aus einer Ära immerwährenden Sonnenscheins, der an diesem Abend verdunkelt wird durch den Tod der Soul-Queen Aretha Franklin.


Das ist gelebte Ökodiktatur: Im Café des Sowjet-Sektors sticht mich eine Wespe – würde ich die flüchtige Delinquentin töten, hätte ich nach aktueller Rechtslage eine Strafe von bis zu 50.000 Euro zu gewärtigen. Als wir im West-Sektor darüber reflektieren, stelle ich mir die rhetorische Frage, wie hoch das Schmerzens- und Entschädigungsgeld bei jungen deutschen Frauen mit Wespentaille liegt, wenn diese durch „Schutzbedürftige“ ermordet werden. Für den großgewachsenen deutschen Recken mit geradezu überstrahlenden blauen Augen, Ingenieur und einstiger Kollege des im Kino gerade wieder auferstehenden singenden Baggerfahrers Gundermann, hört hier der Spaß auf. Aus dem „System“ ist er bereits vor über einem Jahrzehnt ausgestiegen, als er im Boulevardblatt B.Z. direkt untereinander folgende zwei Meldungen gelesen hatte: „Zweieinhalb Jahre Haft“ für einen Deutschen, der nach einvernehmlichem Sex mit seiner Freundin auch seinen Schäferhund ranließ, während darunter eine „Bewährungsstrafe für unerlaubte Abtreibung“ vermeldet wurde – der Täter (Libanese) hatte seiner deutschen Ex-Partnerin den Fötus aus dem Bauch getreten. Da bekommt der Begriff „kinderleicht“ eine ganz neue Bedeutung – anders nämlich als in solch zynischen Reflexionen kann ich diesen Irrsinn gar nicht mehr verarbeiten, ohne selbst irre oder krank zu werden.


Ein Künstler im Café des Ostsektors, der den heutigen AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen noch aus seiner Schulzeit kennt und diesen zu seinem Lieblingshaßobjekt erkoren hat, für das er sich immer neue kreative Folterszenarien ausdenkt, verteidigt im Kollegenkreis die Trennung der Leipziger Galerie Kleindienst von dem renommierten Leipziger Maler und Grafiker Axel Krause (59) wegen dessen Sympathiebekundungen für die AfD. Schließlich sei dieser nur ein dritt- oder viertklassiger, ja „zwölftklassiger Künstler“ – augenscheinlich im Unterschied zu ihm, der seine Existenz nur aufrechterhalten kann, weil er als Tanzlehrer arbeitet, als ginge es noch immer darum, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen.