© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

Ein Schicksal in Leichtbauweise
Kino: Florian Gallenbergers Buchverfilmung „Grüner wird’s nicht ...“ zeigt, daß jede Flucht zwecklos ist
Sebastian Hennig

Es gibt Leichtlesebücher, die schon im Titel dem Käufer gute Laune suggerieren wollen. Der Schauspieler, Kabarettist und Schriftsteller Jockel Tschiersch hat sich mit „Wer nicht vögeln will, muß fliegen“ (2009), „Rita und die Zärtlichkeit der Planierraupe“ (2014) und „Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon“ (2015) darauf spezialisiert. Das letzte Buch hat Florian Gallenberger nun verfilmt.

Die Geschichte ist simpel. Der Gärtner Georg „Schorsch“ Kempter (Elmar Wepper) geht schweigend seinem profanen Tagwerk nach. Im Gegensatz zu ihm haben seine Frau Monika (Monika Baumgartner) und ihre Tochter Miriam (Karolina Horster) noch Ambitionen. Die eine züchtet Orchideen, die andere bereitet sich auf die Eignungsprüfung für ein Kunststudium vor.

Schorsch hat die Gärtnerei seinerzeit aus den Händen seines Vaters übernommen und erfüllt klaglos seine Aufgaben. Bei ihm regt sich die Leidenschaft nur im Zusammenhang mit seinem Doppeldecker. Als ihm der Chef des Golfplatzes, Dr. Starcke (Bernd Stegemann), seine Arbeit nicht bezahlen will, weil der bestellte Rasen angeblich nicht grün genug ist, steigt er mit seinem Kiebitz wieder auf. Der Flugplatzwart lamentiert ihm hinterher und will ihn wegen offener Rechnungen am Abheben hindern. Doch Schorsch läßt ein weiteres Mal alle Sorgen unter sich zurück.

Bald darauf, als der Gerichtsvollzieher pfänden will, nutzt er sein Flugzeug spontan als Fluchtwerkzeug. An die quer durch Deutschland gezogene Spur knüpfen sich die Episoden des Films.

Nach einer knappen Notlandung am Seeufer wird er von dem einsamen Landwirt Hans (Michael Hanemann) in dessen verlotterten Hof aufgenommen. Mit der Empfehlung an einen Baron im Rheinland, der sein Anwesen mit einem repräsentativen Park ergänzen will, fliegt Georg weiter gen Norden. Dort trifft er die verhaltensauffällige Philomena (Emma Bading), die sich als Tochter des gesuchten Richard von Zeydlitz (Ulrich Tukur) herausstellt.

Philomena erwählt ihn sich als väterlichen Freund, beteiligt sich an den gärtnerischen Arbeiten im Schloßpark und schleicht sich vor seinem Abflug als blinder Passagier an Bord, um ihn zu ihrer bewunderten Großmutter Ellen (Gudrun Ritter) nach Sylt zu lenken. Die lebt dort mit einer Frau zusammen und ist das Orakel an Lebensweisheit. Mit emotionalem Druck nötigt sie Schorsch die Gesellschaft von Philomena auf.

Zurück nach Hause, wo es kein Zuhause mehr gibt

Per weiterer Notlandung wird der arme Kerl dann auf einem Flughafen in Brandenburg den Ermahnungen und Anordnungen der nächsten Weltweisen überantwortet. Die einstige Agrarfliegerin Hannah (Dagmar Manzel) hat mit ihrem Mann den Flughafen für eine Mark gekauft und gemeinsam betrieben, bis der sie wegen einer Jüngeren verlassen hat. Die burschikose Philomena trifft hier auf den mädchenhaften Timo (Tilman Pörzgen). Der ist weich und sanft geartet und kann dabei alles Nützliche und Unnütze bauen. Die perfekte Ergänzung. Parieren und Reparieren sind offenbar die großen Tugenden des Mannes. Schorsch bekommt von allen Seiten schweigende und beredte Vorhaltungen über seine Flucht gemacht. Wenn auch Miriam als ein Kuckuckskind gar nicht seine eigene Tochter ist, soll er sich doch zu ihr bekennen und nicht länger vor den Problemen davonfliegen. Statt zum Nordkap fliegt er also nach Hause, wo es kein Zuhause mehr gibt. Denn Monika mußte unterdessen die Gärtnerei als Bauland verkaufen. Die Gebäude sollen abgerissen werden.

Der Regisseur kennzeichnet seine Titelfigur als „Männertypus, der mißmutig auf die Welt schaut, nicht über Gefühle spricht und sich insgeheim als Opfer fühlt“. Die Filmreise solle nun zeigen, wie „dieser innere Panzer, den er um sich aufgebaut hat, Schritt für Schritt wegschmilzt und er dadurch wieder neuen Zugang zu sich, seinen Gefühlen und letztlich seinem Leben findet“.

Dabei bleibt Georg letztlich nichts anderes übrig, als hinzunehmen, daß ihm alles genommen wird, was sein Leben bisher ausmachte und sich fortan den Flausen der Damen anzudienen, der kapriziösen Philomena, deren herrischer Großmutter, den Sehnsüchten seiner Tochter und Frau und den ruppigen Verfügungen der forschen Hannah. 

Die schmutzige, echte Welt des fröhlichen wie schmerzlichen Lebens ist in dieser keimfreien Szenerie nur als Staffage und zu überwindender Ballast anzutreffen. Die alte Gärtnerei Kempter, der verschlamperte Hof von Hans, die greisen Bedienten im Schloß und der vergessene Flugplatz in Brandenburg stehen so fremd in der künstlichen Umgebung wie ein mit Petunien bepflanzter Traktorreifen im Vorgarten eines Reihenhauses. Sie sorgen für etwas schauerliche Atmosphäre, damit der Flug ins Blaue noch einmal so frei erscheint. Erstaunliche Aufnahmen in der Luft wurden von einem nebenher fliegenden anderen Leichtbauflugzeug aus gemacht.