© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

Blick in die Medien
Per Hashtag in die Twitter-Blase
Tobias Dahlbrügge

Quasi täglich werden neue „Hashtag“-Kampagnen wie #metoo, #metwo oder der feministische Haß-Ausbruch #men­aretrash durchs Internet gejagt. Die Medien saugen diese Empörungs-Emissionen dankbar auf und pusten sie mit viel zusätzlicher heißer Luft zu angeblich weltbewegenden Großereignissen auf, an denen sich dann Politik bis Feuilleton abarbeiten dürfen.

Wer im Alltag mit ganz profanen Dingen wie Erwerbstätigkeit, Kindererziehung und Haushalt beschäftigt ist, hat schnell den Eindruck, daß es sich dabei wohl mehr um Wehwehchen und Phantomschmerzen von Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit handelt, wenn schon wieder ein #aufschrei aus den Netzwerken schallt.

Die Debatten sind nicht repräsentativ für die Meinung der „Online-Bevölkerung“. 

Eine Studie des Hamburger Hans-Bredow-Institutes belegt, daß dieses Gefühl richtig ist. Der Mediennutzungsforscher Sascha Hölig untersuchte, wie stark Themen, die die Twitter-Gemeinde bewegen, Nicht-Twitternutzer beschäftigen. Die Antwort: gar nicht. Dafür fand Hölig bei der Befragung von 763 Internetnutzern (darunter 209 aktive Zwitscherer) heraus, daß Twitter-Anwender extrovertierter sind, stärker zu extremen Positionen neigen und „tendenziell narzißtische Züge“ aufweisen. Die Mehrheit der Deutschen liest Online-Medien, vertritt Positionen der Mitte und nutzt andere soziale Netzwerke wie Facebook.

Obwohl die Debatten auf dem Kurznachrichtendienst immer wieder auch in klassische Medien schwappen, sind sie nicht repräsentativ für die gesellschaftliche Meinung der gesamten „Online-Bevölkerung“, bilanziert die Studie.

Logisch, den Busfahrer oder die Supermarktkassiererin interessiert garantiert nicht, wer sich jetzt schon wieder ganz doll schlimm „benachteiligt“ oder diskriminiert fühlt. Es sei denn, der Twitter-Nutzer ist US-Präsident und zwitschert vom Sofa aus Bombendrohungen.