© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

„Bin ich ein Einwanderer zweiter Klasse?“
Wie JF-Redakteur Lukas Steinwandter vergeblich versuchte, Mitglied eines Migrantenvereins zu werden
Lukas Steinwandter

In Deutschland gibt es mittlerweile eine Phalanx an Vereinen und Verbänden, die sich gezielt an Einwanderer richten. Ob Schüler- oder Hochschulgruppen, Arbeitsverbände oder Ausländerräte: Sie alle haben das Ziel, die Interessen von Einwanderern mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft durchzusetzen. 

Einer von ihnen ist der Verein „Neue deutsche Medienmacher“ (NdM). Seit 2009 setzt sich die Organisation für mehr Vielfalt in deutschen Redaktionsstuben ein. „Unser Netzwerk versteht sich als Interessenvertretung für Medienschaffende mit Migrationsgeschichte und tritt für eine ausgewogene Berichterstattung ein, die das Einwanderungsland Deutschland adäquat wiedergibt.“

Freitag vor zwei Wochen: Voller Vorfreude fülle ich das Beitrittsformular aus. Gebe an, wo ich geboren bin und für welches Medium ich arbeite. Als Südtiroler, also als Teil einer Minderheit in Italien samt italienischer Staatsbürgerschaft, und als Redakteur einer deutschen Zeitung sollte ich qualifiziert genug sein, um Mitglied des Vereins zu werden und endlich einen Beitrag für die Vielfalt in den Medien leisten zu können. Schließlich glaube auch ich, daß in deutschen Redaktionsstuben einiges schiefläuft und eine ausgewogene Berichterstattung nicht immer gegeben ist.

Vielleicht klingt der Name zu deutsch

Die Woche darauf landet eine E-Mail des Vereins in meinem Posteingang: „Vielen Dank für Ihr Interesse an den Neuen deutschen Medienmachern. Leider müssen wir Ihren Antrag auf Mitgliedschaft ablehnen. Mit freundlichen Grüßen, der NdM-Vorstand.“ Ein Stich ins Herz, die Luft bleibt mir weg. Was habe ich falsch gemacht? Hätte ich vielleicht doch einen arabisch klingenden Nachnamen wählen oder mich als Moslem ausgeben sollen? Man liest in den Zeitungen ja immer wieder von Diskriminierung aufgrund der Religion oder des Namens.

Aufgeben will ich allerdings nicht. Ich antworte ausführlich, schildere meine „Migrationsgeschichte“. Keine Reaktion. Wie man das als Journalist so gewohnt ist, greife ich zum Telefonhörer und rufe bei den neuen Medienmachern an. Mit akzentfreiem Deutsch meldet sich Frau Hartwig am anderen Ende der Leitung. Mein Name sage ihr etwas, meint sie, am Telefon könne sie mir aber keine Auskunft geben. Ich solle doch eine weitere E-Mail schreiben, vielleicht erhielte ich dann eine Antwort.

Gesagt, getan. Am nächsten Tag finde ich erneut Post in meinem E-Mail-Fach. Diesmal schreibt der NdM-Vorstand etwas ausführlicher: „Die Neuen deutschen Medienmacher sind ein Zusammenschluß von Journalist*innen mit und ohne Migrationsgeschichte, die sich für mehr Medienpersonal mit Migrationsbezug und für diskriminierungsarme Medienberichterstattung einsetzen.Bestehen begründete Zweifel, daß diese Ziele und die Werte unseres Vereins geteilt werden, behalten wir uns vor, Anträge auf Mitgliedschaft nicht anzunehmen. Wir bitten Sie, die Entscheidung des Vorstandes zu respektieren und von weiteren Nachfragen abzusehen. Beste Grüße, NdM-Vorstand.“

Wer ist dieser ominöse Vorstand, dem ich keine Nachfragen mehr stellen soll? Auf der Homepage des Vereins wird als erste Vorsitzende die freie Journalistin Sheila Mysorekar angegeben. Sie schrieb früher für die taz, heute vor allem für die Zeit. Deutlich bekannter ist die zweite Vorsitzende, Ferda Ataman. Ihretwegen blieb Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Juni dem Integrationsgipfel fern. Für Spiegel Online schreibt sie Kolumnen mit Titeln wie „Achtung, das Kopftuch kommt!“, „Integrierte Mitbürger machen Streß“ oder „Sind Ossis auch nur Migranten?“

Bin ich ein Einwanderer zweiter Klasse? frage ich mich nach der erneuten Ablehnung der „Neuen deutschen Medienmacher“. Migranten, die Migranten diskriminieren und ausschließen? Nein, das kann es in Deutschland nun wirklich nicht geben. Zudem stellt sich die Frage, ob der Verein mit solchen Entscheidungen seinen Status als „gemeinnützig“ behalten kann. 

Vielleicht habe ich aber nur noch nicht richtig gelernt, persönliche Rückschläge in Deutschland ausschließlich auf meine Herkunft zurückzuführen, und gehöre tatsächlich nicht in diesen Migrantenverein.