© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/18 / 07. September 2018

Zeitumstellung
Pseudo-Volksbefragung
Boris T. Kaiser

Das Volk hat gesprochen, und die EU will sich seinem Willen beugen. Dieser Satz könnte aus der Fortsetzung des imaginären Science-fiction-Films stammen, über den Kim Jong-Un beim Treffen mit Donald Trump sprach. Der Wille der Europäer war den EU-Oberen bisher schließlich in etwa so wichtig wie einem Islamisten die Meinung seiner Zweitfrau.

Auf Volksbefragungen schauten die Kommissare stets mit der größtmöglichen Abscheu. Echte Volksentscheide waren den Eurokraten gar ein Greuel. Mit Verachtung betrachteten die Lenker Europas die Staaten und Völker im Osten, die Moskau nicht nahtlos durch Brüssel ersetzen wollten, sondern statt dessen auf ein Mindestmaß an nationaler Selbstbestimmung pochten. Wer, wie die Briten, aus der ehrenwerten europäischen Familie aussteigen wollte, konnte sich schon einmal auf den Geruch des Todes-Kusses von Jean-Claude Juncker gefaßt machen.

Nun ließ die EU selbst im Internet über die Abschaffung der Zeitumstellung abstimmen – zunächst mal betont unverbindlich. Ganze 4,6 Millionen Bürger beteiligten sich. Aber immerhin: „Das Volk“ soll, so hört man aus Brüssel, seinen Willen bekommen. Die Zeichen stehen auf ganzjährige Beibehaltung der Sommerzeit.

Bei Eurorettung, Asylpolitik und Kindergeld möge das Volk der Obrigkeit dann aber bitte schön wieder freie Hand lassen. Deal?