© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/18 / 07. September 2018

Grüße aus Wien
Ab auf die Hütte
René-Lysander Scheibe

Im Sommer ist das meist heiter-makabre Wien dem Wiener ein Graus. Die Touristen erfreuen nur jene, die sie routiniert ausnehmen. Läppischer Tingeltangel am Stephansplatz, wo nachts glitzerbunte Elektro-Rikschas, bar eines Fahrgastes, im Kreis geschoben werden. Dazwischen immer wieder  die Fiaker und deren vereinzelte Gegner, die gern mal für den Tierschutz das Wort erheben.

Raus aus der Stadt! Traditionell hält man „Sommerfrische“, einen mehrwöchigen Aufenthalt an einem landschaftlich reizvollen Ort. Der Semmering an der Südbahnstrecke ist ganz nah und bot, vor allem früher, zahlreich komfortable Grand Hotels. Wer dem Kaiser nahe sein wollte, den zog es nach Bad Ischl, einem der bekanntesten Kurorte des alten Österreichs. 

Wer lieber Natur ohne Gesellschaft anderer ungefiederter Zweibeiner wünschte, der mußte einen Aufstieg über steile Hänge auf sich nehmen, nachdem er sich mit einem Bergbauern aus Tirol ins Einvernehmen gesetzt hatte. Karger Komfort, garantierte Einsamkeit –  aber beste Höhenluft, dazu hervorragende Voraussetzungen für Hochgebirgstouren; das lockt einzelne oder kleine Gruppen auf die Almhütte. 

Es wird geschnitten, doch leider nicht Tiroler Speck, sondern vor allem Fichten.

Doch vieles hat sich gewandelt, es gibt Betten statt Stroh, ein schwaches Lichtlein zur Nacht statt Kerzen, wenn die südseitig angebrachte Solaranlage in Schuß ist. Oft finden Handys kein Netz, und da stört die Abwesenheit einer 230-Volt-Versorgung eigentlich gar nicht. 

Doch irgend etwas ist diesen Sommer doch anders im Winkeltal nahe Außervillgraten: Zum einen grasen weniger Kühe auf den Wiesen, dafür aber wird um so mehr geschnitten, und leider nicht Tiroler Speck, sondern vor allem Fichten. Bei Lkw-Plattformen, Seilzügen, Festmetern und deren Transport sieht das Auge bereits geflissentlich beiseite. 

Aber diese tückischen Holz- oder Baumprozessoren, die noch in der Luft baumelnde Stämme entasten, in die gewünschte Länge schneiden und geordnet ablegen, das ist ein beunruhigender Anblick, zudem mit nicht wenig Lärmentwicklung verbunden.

 Selten so ein Gestell bemerkt, das nicht nur zwei Holzarbeiter herausfordert, sondern auch den zufälligen Betrachter. Todtnauberg und der dortige Hütteninsasse grüßen, auch den stadtflüchtigen Wiener, dem man das Kutschpferd nicht gönnen mag und der gern „romantische“ Waldarbeit sich anzusehen gewünscht hätte.