© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/18 / 07. September 2018

„Das ist der Sündenfall“
Aus politischen Gründen getrennt: Ein Gespräch mit dem Leipziger Maler Axel Krause
Edmund Piper

Der Maler und Grafiker Axel Krause ist kürzlich in die Schlagzeilen geraten, weil sich seine Leipziger Galerie Kleindienst aus politischen Gründen von ihm trennte. Anlaß dafür waren Äußerungen Krauses auf seinem privaten Facebook-Profil. Dort bezeichnete er die deutsche Flüchtlingspolitik als „illegale Masseneinwanderung“ und begründete, warum er die AfD wählt. Die JUNGE FREIHEIT hat mit ihm gesprochen:

Herr Krause, wie kam es zu der Trennung?

Krause: Ich wurde von der Galerie von 2004 bis 2018, also 14 Jahre lang, vertreten. Nun erreichte mich plötzlich eine E-Mail, in der ich zu einem Gespräch gebeten wurde, bei dem mir die beiden Galeristen mitteilten, daß sie Probleme mit meinen persönlichen Facebook-Einträgen hätten. Dies sei, so wurde ich unterrichtet, der Grund dafür, unsere Zusammenarbeit zu beenden.

Wie haben Sie nach dieser langen Zusammenarbeit darauf reagiert?

Krause: Natürlich gibt es da auch eine persönliche Ebene. Die beiden Galeristen Christian Seidel und Matthias Kleindienst kenne ich bereits sehr lange, letzteren bestimmt sogar schon 40 Jahre. Unsere Beziehung reicht weit über die Zusammenarbeit mit der Galerie hinaus, denn wir kennen uns bereits von der Hochschule. Und ja, natürlich kam diese Trennung von der Galerie dann recht unvermittelt. Ich fiel aus allen Wolken. Und ich sagte, Mensch Christian, wenn du nun also schon seit zwei Jahren meinen Facebook-Account beobachtest, warum rufst du mich dann nicht einfach mal nach zwei Wochen oder nach zwei Monaten an? Warum wartest du zwei Jahre, um dann zu sagen: „Es ist Schluß“? Immerhin haben wir uns ja währenddessen x-mal gesehen und über alles mögliche geredet. Nur auf das Thema Politik sprach man mich nie an.

Wie ging es weiter?

Krause: Meine Frage wurde nicht wirklich beantwortet. Offensichtlich wollte man sich nicht mit mir auseinandersetzen. Aber zumindest was Matthias Kleindienst anbelangt, hatte ich schon den Eindruck, daß auch ihm die Situation persönlich unangenehm war.

Nun lebt ja gerade die Kunstszene auch von ihren sozialen Geflechten. Wie reagierten denn ihre Kollegen auf die Situation?

Krause: Wenige Tage nach der Trennung eröffnete die Leipziger Jahresausstellung auf dem Gelände der alten Baumwollspinnerei, also nur ein paar Meter von meiner nun ehemaligen Galerie entfernt. Und zu diesem Anlaß erscheint immer ein Großteil der Leipziger Künstlerschaft. Die teilte sich dann für mich in die einen, die herzlich auf mich zukamen, mir auf die Schulter klopften und mir ihre Solidarität aussprachen und die anderen, die tunlichst darauf achteten, daß sich unsere Blicke nicht begegneten. Es war interessant zu beobachten, wie sich da die Spreu vom Weizen trennte. Denn auch unter jenen, die sich wegdrehten, waren ehemalige Freunde und Kollegen, die ich schon Jahrzehnte kenne. Dafür kamen aber auch Kollegen auf mich zu, mit denen ich nur wenig zu tun hatte, und versicherten mir ihre Solidarität. Das hat mich natürlich gefreut.

Ihr Leipziger Kollege Neo Rauch hat sich im April dieses Jahres im „Handelsblatt“ ebenfalls kritisch zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland geäußert und sich zu einer „konservativen Daseinsform“ bekannt, „weil es meiner inneren Struktur entspricht: Das Neue, das Fremde so lange zu verhindern, bis es nicht mehr gefährlich ist. Und die Gefahren sind natürlich evident, die uns umgeben, die auf uns zukommen.“ Warum kam es Ihrem Eindruck nach nicht bereits nach diesem unmißverständlichen Bekenntnis eines Kunst-Weltstars zum Konservatismus zu einem Aufschrei in der Kunstwelt?

Krause: Das liegt meines Erachtens daran, daß der Rubikon, der überschritten werden muß, das Label ist. Es ist also durchaus noch möglich, seine Meinung und auch Kritik zu äußern, ohne sofort einen auf den Deckel zu kriegen. Doch sobald Sie ihrer Kritik ein Label geben, also sich beispielsweise wie ich als AfD-Wähler outen und zudem dazu aufrufen, diese Partei zu wählen, ist das der Sündenfall.

Aber es gibt doch auch andere Künstler, die sich zu Parteien bekennen. Sebastian Krumbiegel, Sänger der Band Die Prinzen, machte beispielsweise Werbung für die SPD, und Campino, Sänger der Toten Hosen, bekannte sich zu Angela Merkel. Kann es sein, daß die eher links gefärbte mediale Berichterstattung auch als Richtungsweiser für hiesige Kulturschaffende fungiert, wie man sich zu seinem Vorteil äußern möge?

Krause: Ja, das könnte durchaus zutreffen. Denn sonst gäbe es wahrscheinlich auch nicht das Phänomen in der Pop- oder Unterhaltungsmusik, daß es dort kaum konservative oder rechtskonservative Stimmen gibt. Der Großteil der Akteure spricht sich beispielsweise pro Migrationspolitik aus, oder sie halten die Klappe wie Helene Fischer. Die meisten sind also ganz dicke mit dabei, wenn es um „Rock gegen Rechts“ geht. „Rock gegen Links“ gibt es hingegen gar nicht. Und das, obwohl es eigentlich nicht sein kann, daß es keine kritischen Stimmen unter diesen Musikern gibt. Das ist vor dem geschichtlichen Hintergrund der Rockmusik lächerlich, die ja eigentlich als ein rebellisches Aufbegehren der Jugend begann. Doch nun scheinen plötzlich alle Opportunisten und geistige Couch-Potatos zu sein.

Haben Sie eine Idee davon, wie es dazu kommen konnte?

Krause: Ich nehme an, daß es etwas mit dem allgemeinen Linksruck in der Gesellschaft zu tun hat, wie er sich seit den letzten fünfzig Jahren seit 1968 vollzogen hat. Die 68er prägten ja damals den Slogan vom „Marsch durch die Institutionen“. Und mit den entsprechenden Folgen haben wir es heute zu tun. Diese Leute und ihre Kinder sind Sozialarbeiter, Lehrer, Journalisten, Politiker und Anwälte geworden. Sie sitzen an den Schalthebeln unseres Staates und prägen damit auch das kulturelle Leben. Das bleibt nicht ohne Folgen. Vor diesem Hintergrund bieten sich Konservative geradezu als öffentlicher Sündenbock an. Auch wenn das angesichts aktueller Realpolitik natürlich ein Witz ist. Hinzu kommt, daß diese Mechanismen gerade in Deutschland aufgrund des Dritten Reiches besonders wirksam sind. Wer sich traut, dem Mainstream ans Bein zu pinkeln, wird schnell kaltgestellt, indem er mit einem braunen Etikett versehen wird.

Wie sieht es mit der Rolle der Künstler in der Gesellschaft aus: Werden die ihrer Verantwortung gerecht?

Krause: Das kann doch nicht Aufgabe der Künstler alleine sein, sondern es ist eine der Gemeinschaft, in erster Linie der Politik. Sie hat mit ihrer Art der Führung dafür Sorge zu tragen, daß eine gemeinschaftliche Identität gefördert wird. Die Kunst ist hier nur ein kleiner Baustein. Sie wäre überfordert, wenn sie alleiniges identitätsstiftendes Mittel oder Medium sein sollte. Meine Profession, die Malerei, erreicht doch nicht die Massen. Ganz ehrlich muß man sogar eingestehen, daß es eine sehr elitäre Angelegenheit ist. Hier stehen Massenmedien wie Film und Fernsehen eher in der Verantwortung. Oder die Populärmusik. Aber wie gesagt, eigentlich müßte es doch Angelegenheit der Politik sein, sich um das identitätsstiftende Gemeinschaftsgefühl und den Schutz einer Gesellschaft zu sorgen. Es braucht eine ehrliche Diskussion darüber, wer wir als Gemeinschaft sind, warum wir es sind, was wir gemeinsam wollen und wie wir dies zusammen gestalten können. Diese Auseinandersetzung kommt mir in einem politischen Klima, in dem es nur noch um Weltoffenheit und Diversität geht, zu kurz. Es geht um alles mögliche, nur nicht mehr darum, was wir als Deutsche wollen.

Was kann die Kunst dazu beitragen?

Krause: Sie denken da an kulturpolitische Förderungen bestimmter Positionen?

Ja, genau das tue ich.

Krause: Davon halte ich nichts. Ich bin kein Freund von der Idee, bestimmte Tendenzen zu fördern und damit anderen gegenüber zu bevorzugen. Eher wäre ich dafür, an der Förderungsschraube dahingehend zu drehen, daß eine selektive Förderung insgesamt unterbunden wird. Ich bin nicht für Pädagogik in der Kulturförderung. Ich halte das für Unsinn, weil jeder pädagogische Ansatz die Freiheit der Kunst behindert. Man sollte Künstler als Individuen fördern, aber keine Ideologie. Denn das schränkt die freie Entfaltung der Kunst ein. Förderungen, die an bestimmte politische Vorgaben gebunden sind, halte ich für falsch.            






Axel Krause lebt als Maler und Grafiker in Leipzig. Geboren 1958 in Halle (Saale), studierte er die Fachrichtung Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB). Später unterrichtete er dort bis 1999 zehn Jahre lang als Lehrbeauftragter.               

 

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