© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/18 / 07. September 2018

Knapp daneben
Stadtluft macht krank
Karl Heinzen

Wenn sich die Repräsentanten der Immobilienbranche am 21. September im Kanzleramt zu Beratungen mit der Bundesregierung einfinden, stehen gravierende Probleme auf der Tagesordnung. Der Wohnungsbau kommt nicht in Fahrt. Das Baukindergeld droht zum Rohrkrepierer zu werden. Die Mietpreisbremse ist verpufft. Wohnen in Ballungszentren wird immer mehr zum Luxus. Dennoch hält der Zuzug aus der Provinz unvermindert an. Selbst ein heruntergekommener Moloch wie Berlin wächst jährlich um 40.000 Verrückte, die meinen, hier ihr Lebensglück zu finden.

Da sich alle mehr oder weniger marktkonformen Instrumente als wirkungslos erwiesen haben, bleiben nun nur noch Zwangsmaßnahmen übrig, um der Krise Herr zu werden. Die naheliegende Lösung wäre es dabei, den Wohnraum zu verstaatlichen. Sie hätte allerdings den Nachteil, daß die Alteigentümer irgendwie entschädigt werden müßten und die öffentliche Hand plötzlich in der Verantwortung für die Bewirtschaftung der Immobilien stünde, was sehr schnell sehr lästig werden kann. 

Wie wäre es mit Zuzugssteuern für Ballungsgebiete? Der Staat ist doch bei Abgaben sonst auch nicht verlegen.

Einfacher wäre es daher, die Eigentumsverhältnisse so zu lassen, wie sie sind und bloß die Mietpreise vorzuschreiben. Warum zerbricht sich der Staat aber überhaupt den Kopf von durchgeknallten Privatleuten, die unbedingt in Ballungszentren leben wollen? Niemand wird dazu gezwungen. Alles spricht dagegen. Die Stadt macht krank und neurotisch. Die Luft ist schlecht, der Verkehrslärm nervtötend. Kriminelle und Asoziale lungern in den Straßen herum. Man sieht viele Gestalten, findet aber keine Freunde. Die Dichte des Kulturangebotes steht nur auf dem Papier. Die bessere Bezahlung, die es in manchen Jobs geben mag, wird durch höhere Lebenshaltungskosten aufgefressen.

Wäre der Staat wirklich am Wohlergehen seiner Bürger interessiert, würde er sie also von der Fehlentscheidung abhalten müssen, in die Stadt zu ziehen. Darüber sollte man am 21. September sprechen. Wie wäre es zum Beispiel mit Zuzugssteuern? Der Staat ist doch auch sonst um neue Abgaben nicht verlegen.