© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

Grüße aus Rom
Alles Gold, was glänzt
Paola Bernardi

Es ist, als habe sich Rom mit einem Schlag aus der langen Sommerlethargie herauskatapultiert. Vorbei die stechende Sonne und damit die Suche nach Schatten und Kühle. Es scheint, als ginge ein Ruck durch die Römer. Nun gehen sie nicht, sondern nun schreiten sie über die Straßen und Plätze. Die Piazza wird wieder zur großen Bühne. Alle wollen „bella Figura“ machen, ob nun die grauhaarigen Männer, die ausschauen wie Hollywood-römische Senatoren oder die Frauen, fast alle schlank gehungert mit edlen Profilen. Ab und an sieht man die jungen Schönen vorbeitrippeln und man glaubt, eine junge Sophia Loren oder eine rassige Monica Bellucci zu erblicken.

 Natürlich glitzert auf der Haut der goldene Schmuck, vor allem auf dem atemberaubenden Dekolleté der Signora. Man kann ganz sicher sein, daß alles Gold ist, was hier glänzt. Nirgends scheint die Dichte an Juwelierläden in der Welt so hoch wie in Rom, wo selbst in den Hinterhöfen noch zahlreiche Goldschmieden zu finden sind.

Windlichter flackern, man prostet sich zu. Lachen, Musik klingt herüber.

Über zwei Monate dauern die Ferien: die klassische Mischung für Familien mit Kindern lautet, einen Monat am Meer und einen in den Bergen. Natürlich kann ein Familienvater nicht volle zwei Monate Urlaub nehmen, so besucht er die Seinen höchstens am Wochenende. Mitleidsvoll spricht der Volksmund daher von den „vedove bianche“ (weiße Witwen) und meint die gestreßten Familienmütter, die allein die Sprößlinge zu warten haben.

Alle machen Ferien, auch das popolino, das römische Kleinvolk. So begrüßt mich der Bettler an der Piazza del Popolo, um  zu erzählen, daß er am Meer in Ostia war, und auch die Wahrsagerin schwärmt von den Bergen.

Dazu Schulbeginn: In den Läden hängen die Kittel für die Kindergarten-Anwärter und die Volksschüler. Wie vor hundert Jahren sind es die gleichen Modelle für Jungen und Mädchen in blau oder kariert. 

In den Palazzi werden die schweren Samtvorhänge geöffnet, die vor Sonnenlicht schützten. Auch die weißen Schutzüberzüge auf den Polstern werden entfernt und die Teppiche wieder ausgerollt. Denn nun findet das tägliche Leben auf den römischen Terrassen statt. Windlichter flackern, von hüben und drüben prostet man sich zu, Gläserklirren, Lachen, Musik klingt herüber. Roms Magie schlägt alle in Bann, und der Vollmond beleuchtet die Szene über den Dächern der Ewigen Stadt.