© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/18 / 21. September 2018

Grüße aus London
Einfach mal vertanzt
Derek Turner

Im allgemeinen sollten Politiker nicht tanzen – oder zumindest sollten sie nicht beim Tanzen gefilmt werden.Vor allem sollten sie nicht tanzen, wenn ihr Tanz ein Versuch ist, zu zeigen, daß sie „Spaßmenschen“ oder „Junggebliebene“ sind, oder wenn der Tanz ein offensichtlicher Versuch ist, sich einem wählbaren Publikum anzubiedern. Premier Theresa Mays Robotik, die während ihrer Kenia-Nigeria-Südafrika-Tour „getanzt“ wurde, hat den Spitznamen „Maybot“ bekommen und ist bereits in die Geschichte der Demütigung eingegangen – zusammen mit Boris Jelzins Wodkascherzen  bei einem Rockkonzert von 1996 und Justin Trudeaus bollywood-artiger Kostümierung während seiner Indien-Reise im Februar.

Es geht um jene unkontrollierbare Aktivität, die schließlich zum Untergang führt.

Selbst die ernsthaftesten Politiker müssen sich manchmal lächerlich machen – so gibt es ein berühmtes Foto des konservativen britischen Politikers Enoch Powell von 1962 auf einem Pogo-Stick (Sprungstab). Aber Tanzen ist besonders problematisch. Das Tanzen wurde von vielen im Westen als etwas für die Jugend angesehen, oder sogar als eine rasende, größtenteils unkontrollierbare Aktivität, die zum Untergang führt – denken Sie an Holbeins Tanz des Todes. Von älteren weißen Menschen wird nicht erwartet, überhaupt tanzen zu können, außer vielleicht einen Walzer. Versuche rufen bei all dem Gelächter Verachtung und Mitleid hervor. Für den Rest von Mays politischer Karriere – so kurz sie auch sein mag – wird ihr marionettenartiges Ruckeln dazu genutzt werden, um ihren Mangel an Kontrolle zu „beweisen“. Das ist natürlich unfair – aber unvermeidlich.

Es ist auch sinnbildlich für eine Art Verzweiflung, die die Regierung ergriffen hat. Der Brexit-Tag rückt näher, und es scheint, daß das für beide Seiten vorteilhafte Handelsabkommen mit der EU nicht stattfinden wird. Der Premier Großbritanniens – Erbe von Wellington, Disraeli, Gladstone, Salisbury, Churchill und Thatcher, zuständig für die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt – hat sich selbst, ihre schwindende Zahl Verbündeter und ihr Land in Verlegenheit gebracht. Nur um der Welt zu zeigen, daß Großbritannien nach dem Brexit immer noch eine „weltoffene“ Großmacht ist, die „offen für jedes Geschäft“ sein wird.

Jelzin hatte wegen seines alkoholischen Dunstes einen Grund für seine Possen, aber Mrs. May scheint keinen bestimmten Grund gehabt zu haben, zumal Kenia, Nigeria und Südafrika nicht einmal geostrategisch besonders wichtig sind.