© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

EU und Nato locken
Mazedonien: Beim Referendum über die Namensgebung bestimmen Griechenlands Nachbarn ihren künftigen außenpolitischen Kurs
Hans-Jürgen Georgi

Bojkotiram“ – „Ich boykottiere“, das ist der Schlachtruf, mit dem die Gegner des Beitritts Mazedoniens zur Nato und zur EU und eines Namenswechsels in den Kampf ziehen. Denn am 30. September soll durch ein Referendum entschieden werden, ob die Republik Mazedonien zukünftig „Republik Nord-Mazedonien“ heißt. Der Streit um den Namen „Mazedonien“ dauert schon seit 1991 als die ehemalige Sozialistische Republik Mazedonien aus dem jugoslawischen Staatsverband ausscherte und sich selbständig machte. 

Das benachbarte Griechenland beansprucht den Namen „Mazedonien“ für den nördlichen Teil des Landes, denn schließlich sei Alexander der Große ein Mazedonier, das heißt Grieche. Zudem habe sich sein Herrschaftsgebiet nicht einmal auf das Gebiet des heutigen Mazedoniens erstreckt, so die Sichtweise Athens.

Während Alexander der Große im 4. Jahrhundert vor Christus lebte, sind die Vorfahren der jetzigen Mazedonier, die Slawen waren und sind, erst im 6. Jahrhundert nach Christus in dieses Gebiet eingewandert. Diese slawischen Makedonen eigneten sich nun nicht nur den Namen des Stammes dieses großen griechischen Feldherren an, kurzzeitig trug sogar der Flughafen von Skopje seinen Namen und die Sonne von Vergina, das Symbol der Könige des antiken Makedoniens, schmückt ihre Flagge. 

„Nord-Mazedonien“ – kein besonders genialer Einfall

Das wiederum empört die Griechen, und es werden irredentistische Ansprüche der slawischen Makedonier auf angrenzendes griechisches Gebiet befürchtet. Solche Nachbarn wollten die Griechen weder als Verbündete in der Nato noch als Partner in der Europäischen Union haben und hätten jeden Beitrittsversuch mit einem Veto belegt.

Nach jahrelangen Verhandlungen gelang am 20. Juni 2018 eine Einigung zwischen den beiden Ländern auf den Namen „Nord-Mazedonien“. Wenn man bedenkt, daß der Streit fast 27 Jahre dauerte, ist der Name kein besonders genialer Einfall, zumal drei Verwaltungsbezirke im benachbarten Griechenland „Ost-Mazedonien“, „Zentral-Mazedonien“ und „West-Mazedonien“ heißen. 

Daß es zur raschen Einigung über den Namen „Nord-Mazedonien“ kam, mag auch an der Situation auf dem Westbalkan liegen. Das südöstliche Europa ist Einflußgebiet verschiedener auswärtiger Mächte: neben der EU sind dies die Türkei, China und nicht zuletzt Rußland. Moskau, das sich seit den Türkenkriegen im 18. Jahrhundert als Schutzherr aller orthodoxen Völker und seit dem 19. Jahrhundert auch als Schutzherr aller Slawen betrachtet, sieht seinen Einfluß in der Region schwinden, nicht zuletzt durch die Nato-Mitgliedschaft des Kleinstaates Montenegro im Jahr 2017. Damit wurde für die Russen die letzte Möglichkeit eines Zugangs zum nördlichen Mittelmeer, zur Adria verschlossen. In der Kette der Nato-Mitglieder auf dem Balkan fehlt nun nur noch Mazedonien, wodurch das militärisch neutrale Serbien „eingekreist“ wäre. Nicht zuletzt spielte Mazedonien beim Schließen der Balkan-Flüchtlingsroute Ende 2015, Anfang 2016 eine entscheidende Rolle.

USA geißeln Moskaus Einflußnahme  

All das erklärt, warum die Hauptstadt der Mazedonen in den vergangenen Wochen Ziel hochrangiger Politiker wie Angela Merkel war. Sie appellierte an die Mazedonen, den 30. September als „historische Chance“ zu nutzen, denn aus eigener Erfahrung wisse sie, daß man diese „in einer Generation immer nur einmal“ habe. Dagegen nutzte US-Verteidigungsminister James N. Mattis seinen Skopje-Aufenthalt, um Rußland vorzuwerfen, mit Hilfe pro-russischer Gruppen das Referendum hintertreiben zu wollen.

Zwar werden die 25 Prozent der mazedonischen Albaner und ein Teil der 65 Prozent slawischer Mazedonen der Namensänderung und dem Nato- und EU-Beitritt zustimmen, es verbleibt aber die Unsicherheit hinsichtlich des erforderlichen Quorums. Denn mehr als die Hälfte der 1.805.700 Wahlberechtigten müssen sich an der Abstimmung beteiligen. Das ist es, worauf die dreißig Organisationen hoffen, die mit ihrer Kampagne „bojkotiram“ das ganze Referendum am Ende scheitern lassen wollen.

Ein Zeichen setzte die nationalkonservative VRMO-DPME, die bei den Wahlen 2016 mit 38 Prozent stärkste Partei wurde, aber in der Opposition landete. Sie entschied sich, nicht mehr zum Boykott aufzurufen: „Jeder wird die Entscheidung treffen, von der er meint, daß sie die beste für die Familien und für das Land ist.“