© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

Staatlich geförderte digitale Demenz
Etablierte Parteien haben den hohen politischen Nutzen des „Kulturguts“ Videospiel entdeckt
Oliver Busch

Anfang September demonstrierten in Hamburg etwa 150 Kinder, im Schlepptau einige Dutzend ihrer schuldbewußten Eltern, mit der Parole „Spielt mit mir! Nicht mit euren Handys!“, um von Mama und Papa lautstark mehr Aufmerksamkeit einzufordern. 

Ihr Protest illustriert in schon rührender Hilflosigkeit, was der neue „Freizeit-Monitor“ der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen statistisch aufzeigt: Die Deutschen haben immer weniger Zeit für andere, weil sie in virtuellen Welten unterwegs sind. Diese Auflösung des sozialen Zusammenhalts beginnt in der Familie.

Die Bundesregierung will diesen Prozeß aber noch forcieren. Große und kleine Bürger am PC spielen zu lassen, sie zu vereinzeln, zu zerstreuen und zu desorientieren, das hält Merkels Digitalministerin Dorothee Bär (CSU) für eine gute Idee. „Fördermodelle werden jetzt ganz sicher schnell auf den Weg gebracht“, versprach sie bei der Eröffnung der Kölner Gamescom. Die stand im August 2018 unter dem Motto „Vielfalt gewinnt“, mit dem der Videospiel-Bundesverband Game sich eines Schlüsselbegriffs der One-World-Ideologie des politisch-medialen Komplexes bediente. Die „Gemeinde der Gamer“, so empfiehlt Game-Geschäftsführer Felix Falk die politische Nützlichkeit seines Metiers, realisiere bereits heute, was Merkel mit Massenmigration gesamtgesellschaftlich anstrebe: den Zusammenschluß von „Menschen aller Altersgruppen, Nationalitäten und Hautfarben“ (FAZ vom 22. August 2018).

Kommunale E-Sportzentren

Ungeachtet eines Bergs medizinischer und psychologischer Gutachten, die vor den verheerenden gesundheitlichen und sozialen Folgen digitaler Kommunikation warnen, vom Bewegungsmangel bis zur „digitalen Demenz“ (Manfred Spitzer), möchte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident, der Heavy-Metal-Anhänger Daniel Günther (CDU), sich an die Spitze der Videospiel-Kampagne setzen. Der Norden solle die Vorreiterrolle übernehmen und zum „Eldorado für elektronischen Sport“ werden (Schleswig-Holsteinische Landeszeitung vom 7. September 2018). In einer von allen Parteien, mit löblicher Ausnahme der AfD, getragenen Initiative, die Innen- und Sportminister Hans-Joachim Grote (CDU) im Landtag präsentierte, will die Jamaika-Koalition das Potential voll ausschöpfen und 1,1 Millionen „mutmaßlich interessierte Spieler“ im „echten Norden“ an Konsolen und Bildschirme locken.

Die totale digitale Mobilmachung sieht vor, „Großveranstaltungen für E-Sport“ à la Gamescom nach Schleswig-Holstein zu holen und eine „Akademie für E-Sport“ an der Fachhochschule Westküste in Heide zu etablieren. Um noch weiter die „Mitte der Gesellschaft“ zu infiltrieren, denken Günther, Grote und der grüne Sportpolitiker Rasmus Andresen, einer der lautesten Agitatoren für das Projekt, über Daddelhallen im Großformat nach, die sie „kommunale E-Sportzentren“ nennen. Dort sollen Gamer zu „Wettbewerben“ antreten. Auch Vereine und Schulen bleiben nicht verschont. Darüber hinaus sei E-Sport als gemeinnützig anzuerkennen, ihm Steuervorteile zu verschaffen. 

Aus Sicht des Innenministers Grote führt das Abtauchen in die Isolation und Anonymität des „Kulturguts Videospiel“ zudem zu echten Bildungsgewinnen. „Lebenskompetenzen“ würden vermittelt, wie etwa „der Umgang mit Medien“.