© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

Entschieden ja oder nein sagen
Gastbeitrag: Chefredakteur Andreas Lombard über das erste Jahr des neuen Zweimonatsmagazins „Cato“

Ein Chefredakteur, der über sein eigenes Magazin schreiben soll, würde besser schweigen und auf die erschienenen Ausgaben verweisen. Denn was er sagen wollte, hat er gesagt –

nicht nur in den Geleitworten –, und wer weiß schon, was die Zukunft noch alles bringen mag. Also schmökert er herum. Und wird in Der Fortführer von Botho Strauß fündig: „Mirabeau wollte 1786 eine Zeitung herausgeben mit dem Titel Le Conservateur. Darin sollten vergessene Bücher, Menschen und Dinge behandelt werden (so Flaubert in seinen ,Carnets‘). Große Ideen, die auf der Strecke blieben, bringen sich auf solchen Blättern, dem Troß der neuen Realitäten hinterdrein, aufs schönste in Erinnerung. Oft rühren sie wie alte Gaukler, die ihren Ruhm überlebt haben und ihre unzeitgemäßen Spiele aufführen.“

Am Anfang war also keineswegs Cato, auch wenn er, der Jüngere, 1.850 Jahre vor Mirabeau gelebt hat. Das Wissen, daß wir uns nicht uns selbst verdanken, hat Cato von Anfang an begleitet. Daß andererseits jenes „unzeitgemäße Spiel“ sehr gut zu „neuer Sachlichkeit“ paßt, soll Cato beweisen, dessen siebente Ausgabe in diesen Tagen den ersten Jahrgang 2018 abschließt.

Eine „Arche für die Stürme von morgen“ haben wir unsere Unternehmung schon am Anfang genannt, als wir von den 10.000 verkauften Exemplaren pro Ausgabe nur träumen konnten. Natürlich erschöpft sich das Programm von Cato nicht in der Rückschau. Selbst wenn wir ausschließlich Vergessenes bringen würden (was wir nicht tun), wäre das durch und durch etwas Neues, weil wir es als Heutige, mit dem Blick von heute täten. Aber auch dort, wo es um Politik, Wirtschaft und Kultur der Gegenwart geht, setzt Cato andere Akzente als der große Rest der deutschen und der europäischen Presselandschaft. Die Besonderheit von Cato besteht darin, daß es deutlich Stellung bezieht, ohne dabei mit einem genuin politischen Programm aufzutreten.

Die Gründung eines solchen Magazin wurde spätestens seit dem endgültigen Aus von Criticón im Jahre 2007 vielfach erwogen. Chateaubriand hat übrigens 1818, über dreißig Jahre nach der Idee von Mirabeau, tatsächlich ein Magazin mit dem Namen Le Conservateur gegründet, und so feiert unsere aktuelle Ausgabe den diesjährigen 200. Geburtstag des Wortes „konservativ“ im Sinne eines politischen Begriffs. Wobei das Konservative nicht nur das ist, „was immer gilt“, sondern auch eine jeweils konkrete Gestalt hat (was sich in unserer Rubrik „Was ist deutsch?“ ausdrückt), ohne die der Begriff beliebig wäre und direkt in den Relativismus führen würde.

Konservatismus mit zeitgenössischem Antlitz

Das verdeutlichen in der aktuellen Ausgabe etwa die Beiträge von Karlheinz Weißmann, Roger Scruton, R. R. Reno und Dušan Dostanic sowie das Interview, das Eva-Maria Michels mit Robert Ménard, Bürgermeister der südfranzösischen Stadt Béziers, geführt hat. Es belegt eindrucksvoll, daß das, was von ewiggestrigen Ideologen auch in Frankreich notorisch als „rechts“ oder „rechtsextrem“ verschrien wird, im konkreten Fall nichts anderes ist als ein selbstbewußtes Aufräumen mit unerträglich gewordenen Verfallserscheinungen im öffentlichen Raum.

Daß der Konservatismus ein erfolgreiches zeitgenössisches Antliz hat, zeigt auch das Porträt des kanadischen Psychologen und Bestsellerautors Jordan Peterson. Dessen Fangememeinde dankt es ihm mit Millionenklicks, daß er ihrem Leben jenseits von Zeitgeist- und Gender-Verwirrung durch vielbesuchte Vorträge eine konstruktive Richtung gibt.

Den Höhepunkt des neuen Heftes dürfte das Interview mit dem Chef des Hauses Hohenzollern und Ururenkel Kaiser Wilhelms II. Georg Friedrich Prinz von Preußen bilden, der kaum jemals so ausführlich über die Bedeutung Preußens und seiner Familie für die Gegenwart gesprochen hat wie hier.

Zwar hat sich Cato eine gefällige Präsentation des „Wahren, Schönen und Guten“ vorgenommen, was auf der konservativen Seite des medialen Spektrums einmalig sein dürfte. Mit den Umfragen zu „25 Jahre ‘Anschwellender Bocksgesang’“ (Heft 2/2018) und „Gemeinsame Erklärung 2018“ (Heft 4/2018) hat Cato aber auch politisch Stellung bezogen. Ohne kämpferische Parteipolitik zu treiben, beansprucht es „geheiligte Parteilichkeit“ (Urs von Balthasar), wohl wissend, daß das, was wir eines Tages Geschichte nennen, niemals eine direkte Materialisation des eigenen Willens sein kann, sondern nur das Ergebnis aller politisch wirkenden Kräfte und Energien.

Der Erfolg und  die Entwicklung von Cato beweisen, daß der Konservatismus alles andere als ein Nischenthema ist. Den Schwerpunkt traditionelle Architektur, den wir bereits im ersten Heft mit einem Bericht über die von Prinz Charles und Léon Krier konzipierte südenglische Stadt Poundbury gesetzt haben, haben wir seitdem regelmäßig aufgegriffen. Erfolgreiche Wiederaufbauprojekte wie im Frankfurter Altstadtviertel beweisen, daß dieses Thema  seine große Zukunft noch vor sich hat. Wie überhaupt in einer Zeit, in der jedes Ja und jedes Nein als diskriminierend beargwöhnt wird, nichts wichtiger ist, als entschieden ja oder nein zu sagen. Dies auf eine schöne Weise zu tun, tut der Deutlichkeit keinen Abbruch.






Andreas Lombard, Jahrgang 1963, gründete 2005 den Landt Verlag (seit 2010 Teil der Manuscriptum Verlagsbuchhandlung), den er bis 2017 führte. Seitdem ist er Chefredakteur des Magazins Cato.

 https://cato-magazin.de