© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

Afrikas Energiemangel und die Massenmigration
Ohne Strom geht nichts
Michael Limburg

Viele sind sich einig, daß die riesige nahezu ungehinderte Massenmigration der letzten Jahre für Europa, aber besonders für Deutschland, das größte Problem ist. Viele erkennen das, viele andere wollen es aber auch nicht wahrhaben. Darüber wurde und wird öffentlich gerade in den alternativen Medien sehr viel diskutiert, in den Mainstreammedien hingegen deutlich weniger, wenn überhaupt. Aber darum soll es heute in diesem Beitrag nicht gehen, obwohl er einen direkten Bezug zur Migration hat. Und der Bezug heißt Afrika.

Afrika ist der Kontinent, der uns, nur vom Mittelmeer getrennt, sehr nahe ist, dessen Bevölkerung sich oft wünscht, die Heimat zu verlassen und zwar zu Hunderten Millionen, um, wenn möglich, vorzugsweise nach Deutschland auszuwandern. Unser Sozialstaat  ist sozusagen die Fluchtursache Nummer eins. Der wahre Antrieb dafür speist sich jedoch aus der heute schon vorhandenen massiven Überbevölkerung. Innerhalb weniger Generationen hat die Bevölkerung Afrikas die Milliardengrenze überschritten, bis 2050 sollen es bereits mehr als zwei Milliarden sein.

Und da die Versorgung selbst mit den elementarsten Gütern oft nicht mit dieser Entwicklung Schritt hielt, leben die weitaus meisten Afrikaner in bitterster Armut, in Not und Elend. Besserung ist kaum in Sicht, und daher sollte sich niemand wundern, daß für Millionen und Abermillionen der Wunsch auszuwandern, um ein besseres Leben anderswo zu finden, viel größer ist, als der Wunsch, in der angestammten Heimat sich selbst ein besseres Leben aufzubauen.

Als Gründe genannt werden, häufig zu Recht, mangelnde Bildung – insbesondere der Frauen –, was wiederum zu großer Kinderzahl führt, die schlecht oder gar nicht ausgebildet werden können. Die große Kinderzahl führt zu Raubbau an den Ressourcen, hinzu kommen Tribalismus, Nepotismus, Korruption sowie auch klimatische Ereignisse wie langanhaltende Dürren, die häufig auch die direkte Folgen ungebremsten Ressourcenverbrauchs sind. Auch dürfen die verheerenden Wirkungen der vielfachen gewaltsamen marxistisch-kommunistischen Umstürze und „Befreiungsbewegungen“ nicht vergessen werden, die unter Inkaufnahme unendlich vieler Opfer nur neue Herren anstelle der alten setzten.

Über alle diese Ursachen ist schon sehr viel und klug geschrieben worden. In Seminaren und Salons, im Feuilleton und von den Verantwortlichen für die Entwicklungspolitik egal welcher Couleur, von Stiftungen und NGOs, von Fachleuten, auch von Diplomaten. Analysiert wurde viel, geholfen hat es wenig. Das liegt nun nicht allein daran, daß falsche Rezepte aufgrund falscher Anamnesen ausgestellt wurden. Oft liegt es daran, daß die Probleme so riesig und zudem noch auf vielfältige Weise miteinander verknüpft und voneinander abhängig sind.

Doch eine Ursache wurde bisher überhaupt nicht von diesen Kreisen beleuchtet, jedenfalls ist in der Literatur dazu kaum etwas zu finden. Gemeint ist der Mangel an jederzeit verfügbarer, billiger elektrischer Energie.

Dabei drängt sich der Gedanke daran eigentlich von selbst auf. Wenn man sich zum Beispiel über Google ein Satellitenbild der beiden Kontinente Europa und Afrika bei Nacht ansieht, wird es noch viel augenfälliger. Im Norden glitzert das hell erleuchtete Europa, südlich davon das dunkle Mittelmeer und darunter das ebenfalls fast überall stockdunkle Afrika. Afrika als der dunkle Kontinent, im wahrsten Sinne des Wortes. Abgesehen von ein paar wenigen Lichtpunkten im Norden, am Ufer des Mittelmeeres, den Nil entlang in Ägypten, dann westlich ein wenig um Ghana und Nigeria herum, östlich ebenso um Kenia herum und ganz im Süden Südafrika, das ebenfalls ein wenig Glanz abgibt. Das war es schon. Der Rest des Kontinents ist dunkel.

Der Primärenergieverbrauch pro Kopf und Jahr in Afrika ist mehr als neunmal geringer als der deutsche. Und die Energieverfügbarkeit ist höchst ungleich verteilt. So haben die Menschen der Subsahara und nördlich von Südafrika de facto keinen Zugang zu Energie.

Die Riesenlandfläche, die Afrika bildet, ist trotz des rasanten Bevölkerungswachstums nach wie vor wesentlich dünner besiedelt als beispielsweise Europa. Und trotzdem, der Eindruck vom dunklen Kontinent ist frappierend. Und er wird auch durch die Zahlen zum Energieverbrauch ganz klar gestützt. Bei einer Bevölkerung von rund 1,2 Milliarden Menschen (Stand 2016) liegt die Stromproduktion pro Kopf (Basis 2014, neuere Zahlen waren nicht verfügbar, mögen aber heute geringfügig höher sein) bei ca. 550 Kilowattstunden pro Jahr. Zum Vergleich: Im Industrieland Deutschland liegt dieser Wert bei rund 7.300 kWh im Jahr. Das ist mehr als das 13fache!

Fast dasselbe Ergebnis erhält man, wenn man den Primärenergieverbrauch vergleicht. Da liegt Afrika bei nur 0,4 Tonnen Öl-Äquivalent pro Kopf und Jahr. Wir Deutsche verfügen über satte 3,76 Tonnen Öl-Äquivalent. Das ist immerhin noch mehr als das Neunfache dessen, was die Afrikaner verbrauchen. Dabei ist aber noch nicht berücksichtigt, daß die Verfügbarkeit von Energie in Afrika höchst ungleich verteilt ist. So haben die Menschen der Subsahara und nördlich von Südafrika de facto überhaupt keinen Zugang zu Energie. Alles, was dort verfügbar ist, ist oft nur Kuhmist und Reisig für Kochen und Beleuchtung und muß mühsam über lange Wege gesammelt werden, überwiegend von Frauen und Kindern.

Ian Morris hat in seinem Buch „Wer regiert die Welt?“ auf profunde Weise herausgearbeitet, wie die Verfügbarkeit von Energie pro Kopf weltweit nicht nur über die Jahrtausende zunahm, davon die letzten 200 Jahre geradezu exponentiell. Mit einer Fülle von Belegen unterfüttert, leitet er ab, warum manche Gesellschaften sich schneller entwickelten als andere, was sie wiederum oft in die Lage versetzte, andere Gesellschaften auf lange Zeit zu beherrschen.  Übrigens begründet er darin auch, warum Europa – allgemein „der Westen“ – bis Ende der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Vorherrschaft gewinnen konnte.

Man muß auch nicht von „Energiesklaven“ sprechen, wie es so treffend der NAEB-Pressesprecher Hans-Günter Appel gelegentlich tut, um zu verdeutlichen, welchen – im Vergleich zu früheren Generationen – Luxus wir uns heute leisten können, angesichts der vielen durch Elektrizität betriebenen sichtbaren und unsichtbaren Helferlein, die unseren Alltag so wirksam unterstützen, erleichtern und unsere Produktivität in noch nie dagewesene Höhen schrauben.

Kurzum, um es scherzhaft mit dem Autor Henryk M. Broder zu sagen, der Zugang zu jederzeit verfügbarer billiger Energie – vorzugsweise und zunächst elektrischer Energie – ist die Basis der Grundlage des Fundamentes. Ohne Zugang zu jederzeit verfügbarer billiger Energie geht nichts: keine Entwicklung, keine Überschüsse, keine Bildung, kein Transport, keine Klimaanlagen, keine Produktion, kein nichts. Die Liste ist endlos. Anders ausgedrückt: Ohne Zugang zu jederzeit verfügbarer billiger Energie ist das Leben brutal und kurz!

Und das soll möglichst auch so bleiben, jedenfalls für die unterentwickelten Länder, also vor allem Afrika, jedenfalls dann, wenn es nach den Vereinten Nationen geht und der von ihnen organisierten Pariser Klimabeschlüsse.

Liest man die Beschlüsse nämlich emotionslos und läßt alles moralisierende Beiwerk weg, mit dem man vorgibt, sie dienten allein dazu, die Welt vor einer „Klimakatastrophe“ zu bewahren, dann bleibt übrig, daß die entwickelten Länder über zum Beispiel den Green Climate Fund zunächst 100 Milliarden Dollar jährlich, ab 2025 500 Milliarden Dollar jährlich als Bestechungsgelder an die in vielen Staaten erwiesenermaßen korrupten Eliten zahlen sollen, damit diese dafür sorgen, daß ihre gegebenenfalls aufzubauende Energieversorgung nur aus sogenannten Erneuerbaren Energien gespeist wird. 

Ein Unterfangen, das zwangsläufig, vor allem aus naturgesetzlichen Gründen, zum Scheitern verurteilt ist, aber die bittere Armut in den unterentwickelten Ländern auf lange Sicht zementieren wird. Und damit den Bevölkerungs- und Auswanderungsdruck drastisch weiter erhöht. Als gewissen Ausgleich dafür haben sich die Verantwortlichen bei den UN dann noch ein riesiges Umsiedlungsprogramm (Resettlement) ausgedacht, daß die Bundesregierung im Dezember unterschreiben wird.

Wer nicht so recht glauben will, daß „Erneuerbare“ weder für die Versorgung eines Industrielandes taugen und erst recht nicht für ein Entwicklungsland, für den sei die folgende Rechnung aufgemacht am Beispiel des Sonnenwärmekraftwerks Noor in Marokko.

Wer nicht so recht glauben will, daß „Erneuerbare“ weder für die Versorgung eines Industrielandes taugen und erst recht nicht für ein Entwicklungsland, das die Armut durch Eigeninitiative, Fleiß und Unternehmertum abschütteln will, der sehe sich das folgende schlechte Beispiel aus Nordafrika an:

Das Königreich Marokko ist ein Entwicklungsland, aber immerhin eines, das versucht, sich auf den Weg in die Moderne zu machen. Marokko erlag den Sirenenklängen von Weltbank und deutscher Entwicklungshilfe-Organisationen, voran der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem auftraggebenden Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, und akzeptierte den Aufbau eines großen Solarkraftwerkes – vermutlich, weil fast vom deutschen Steuerzahler geschenkt. Treffenderweise wurde es Noor genannt, auf arabisch „Licht“. In Marokko scheint die Sonne fast zwölf Stunden am Tag, an fast allen Tagen des Jahres, und daher schien es eine gute Wahl. Um das leidige Speicherproblem zu lösen, wurde der größte Teil der Anlage in Solarthermietechnik ausgelegt, bei der parabolische Rinnenspiegel im Brennpunkt befindliche, mit flüssigem Salz gefüllte Rohre erwärmen. Diese Salzmenge läßt sich erwärmt auch für ein paar Stunden speichern und treibt über Wärmetauscher einen konventionellen Dampfgenerator an.

Die erste Baustufe, Noor 1, ging Anfang 2016 in Betrieb. Das Kraftwerk liegt etwa zehn Kilometer nordöstlich der Stadt Ouarzazate, ein Ort, dessen jährliche Sonneneinstrahlung einen der höchsten Werte weltweit aufweist. Noor 1 ist für eine Leistung von 160 Megawatt (MW) ausgelegt, liefern soll es rund 700 Gigawattstunden (GWh) jährlich. Die Kosten dafür, von denen etwa 80 Prozent der deutsche Steuerzahler trug, lagen bei einer Milliarde Euro. Große Kostensenkungspotentiale existieren nicht, weil alle Komponenten allein aufgrund ihrer erforderlichen Stückzahl schon in großen Mengen gefertigt wurden, und damit der Vorteil der Kostendegression über die Menge entfällt. Dafür ist die Konstruktion überaus wartungsintensiv.

Machen wir nun ein Gedankenexperiment und stellen uns vor, daß wir die Produktion von jetzt rund 550 kWh (das ist in etwa soviel, wie zwei Kühlschränke verbrauchen) pro Kopf und Jahr auf das Doppelte steigern wollten. Dazu braucht es rund 1.000 mal Noor 1. Die Kosten würden bei circa einer Billion Euro liegen. Wollten wir nochmals verdoppeln auf rund 2.200 kWh pro Kopf und Jahr, müßte man schon 3.000 Noor 1 in die afrikanische Landschaft bauen, hätte Kosten von drei Billionen Euro zu stemmen und würde trotzdem nur ein Drittel der deutschen Energieproduktion erreichen. Die Erzeugung von Strom durch Windenergie würde vielleicht etwas billiger sein, wenn es nicht das leidige Speicherproblem gäbe. Dessen Lösung schöbe die Kosten gleich wieder in die Höhe. Das ginge also auch nicht.

Moderne Kohle-, Gas- oder Dieselkraftwerke kosten immerhin auch rund 1.000 bis 1.200 Millionen Euro pro Gigawatt Leistung, liefern aber 80 Prozent des Jahres diese Leistung ab, bei Tag und bei Nacht, also immer dann, wann man sie benötigt. Das wären überschlägig gerechnet rund zehnmal soviel wie Noor 1, aber zu fast identischen Kosten.

Die Marokkaner werden, so ist zu vermuten, bald von selbst darauf kommen, auf welch schlechtes Geschäft sich ihre Eliten damit eingelassen haben. Die Afrikaner überhaupt wissen, daß Armut und Hunger sehr weh tun, während gleichzeitig ihre Länder reichlich über Kohle, Öl und auch Gas verfügen. Doch bis diese Erkenntnisse zu den richtigen Maßnahmen führen, sieht es so aus, daß wir unter Umständen viele Millionen ihrer Landsleute bei uns aufnehmen müssen. Das werden wir kaum verkraften. Eile scheint daher geboten!






Michael Limburg, Jahrgang 1940, ist Mitgründer und Vizepräsident des privaten Europäischen Instituts für Klima- und Energie (EIKE). Der Diplomingenieur hat Elektrotechnik sowie Meß- und Regelungstechnik studiert und seit Mitte der siebziger Jahre in leitenden Positionen in der Druckindustrie gearbeitet. Limburg veröffentlichte Fachaufsätze und populärwissenschaftliche Bücher zur Klimaforschung und zum Umbau der Energiewirtschaft. Auf dem Forum schrieb er zuletzt über die „Energiewende“, die Physik und den ausgehebelten Markt („Strom ist keine Ware“, JF 11/18).