© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

Freiheit durch Wettbewerb sichern
Gesammelte Aufsätze eines liberalen Ökonomen: Auch auf staatlicher Ebene belebt eine Konkurrenz
Erich Weede

Roland Vaubel ist emeritierter Professor für Politische Ökonomie an der Universität Mannheim. Hier legt er eine Sammlung von 17 Aufsätzen vor, die größtenteils in den letzten beiden Jahrzehnten, teilweise aber auch Ende des letzten Jahrhunderts erstmalig erschienen sind. Nur beim zehnten Aufsatz, der 2016 erstmalig erschienen ist, stört die fehlende Aktualität der Diskussion des Brexit und der doch wohl dauerhaft gescheiterten Bemühung um ein transatlantisches Freihandelsabkommen. Sonst sind Vaubels Überlegungen allgemeiner Natur. 

Dabei geht Vaubel von der Perspektive der ökonomischen Theorie der Politik (Public Choice) aus, die sich weigert, Politikern, Richtern oder Beamten grundsätzlich andere (oder edlere) Motive als wirtschaftlich Tätigen zu unterstellen. Stattdessen ist davon auszugehen, daß alle Menschen auf Anreize reagieren und auch dann eigene Interessen verfolgen, wenn sie von Gemeinwohl reden. 

Von diesem Menschenbild ausgehend ist klar, daß die Möglichkeit der Entlassung der Regierenden durch Abwahl nicht ausreicht, um sicherzustellen, daß die Regierung tatsächlich den Interessen der Regierten, des Volkes, dient und nicht etwa eigenen Interessen der Machterhaltung, der Machterweiterung oder Befriedigung von Wünschen von solchen Interessengruppen, auf die sich die Regierungsparteien stützen. Die gemeinsame Botschaft der Aufsätze dieses Bandes ist, daß politische Fragmentierung und Wettbewerb von Gebietskörperschaften – sei es innerhalb von Bundesstaaten oder in der Europäischen Union oder auch zwischen Staaten – wesentlich zur Ausweitung und Erhaltung der Freiheit des Menschen beiträgt. 

Daß der Wettbewerb die wirtschaftlich Tätigen und Unternehmen zum Dienst an den Konsumenten zwingt, ist für Ökonomen eine alte Einsicht. Vaubel fügt hinzu, daß der Wettbewerb unter Politikern und Gebietskörperschaften den Bürgern erlaubt, die politischen Leistungen vergleichend zu beurteilen, also auch eventuelle Leistungsdefizite besser zu erkennen, daß nur bei rivalisierenden politischen Einheiten Menschen die Exit-Option wahrnehmen können und sich leistungsschwachen Regierungen entziehen. Das geht natürlich innerhalb von Bundesstaaten einfacher als etwa innerhalb Europas. Noch einfacher ist es bei kleinräumigen Konföderationen wie der Schweiz. Da kann schon der Wohnsitz in Basel-Stadt oder Basel-Land die Steuerlast beeinflussen.

Im ersten Aufsatz zeigt Vaubel, daß die Zentralisierung der Europäischen Union die Macht der Politik über die Menschen vergrößert, im zweiten und dritten, daß die politische Fragmentierung Europas – ich würde sagen: seine Uneinigkeit, das Fehlen eines Imperiums – wesentlich zum europäischen Wunder oder der erstmaligen Überwindung der Massenarmut beigetragen hat, daß  Klassiker der europäischen politischen Philosophie die Zusammenhänge von Staatenkonkurrenz, Freiheit und Respektierung der Eigentumsrechte durch die Herrschenden auch schon erkannt hatten. 

Im vierten bis neunten Kapitel zeigt sich Vaubel gegenüber der Kooperation zwischen Staaten und Regierungen – ob bei der Konjunkturpolitik, der Währungspolitik, der Bankenregulierung – eher skeptisch, im zehnten hat er Verständnis für sezessionistische Bestrebungen. Im zwölften und dreizehnten Kapitel betont Vaubel, daß tendenzielle Entmachtung der Regierenden durch Wettbewerb noch wichtiger als die demokratische Abwahlmöglichkeit ist. Er betont auch, daß sogar die direkte Demokratie in der Schweiz nur wegen des interkantonalen Wettbewerbs positive Konsequenzen hat. Das zwölfte Kapitel enthält auch eine ökonometrische Analyse. In den letzten vier Kapiteln wendet sich Vaubel jenseits der Ökonomie liegenden Fragen – wie Religion, Musik und Humanismus – zu, wobei er auch hier wieder auf die Vorzüge von Wettbewerb und Freiheit verweist. 

Weil in unserer Gesellschaft, in Eu-ropa und dem Westen eine Neigung der Politik besteht, sich dem Wettbewerb zu entziehen und die Freiräume der Individuen durch immer mehr staatliche Regulierung und Besteuerung immer mehr zu beschränken, weil europäische Zentralisierung von den politischen Eliten vielfach für ein bedenkenlos anwendbares Allheilmittel gehalten wird, darf man Vaubels Werk eine weite Verbreitung wünschen. 






Prof. Dr. Erich Weede lehrte Soziologie in den Universitäten Köln und Bonn. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft.

Roland Vaubel: Zwischenstaatlicher politischer Wettbewerb. Lit-Verlag, Münster 2018, broschiert, 258 Seiten, 29,90 Euro