© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

Knapp daneben
Touristenplage
Karl Heinzen

Zehn Millionen Touristen fallen Jahr für Jahr in Florenz ein. In den Charts der beliebtesten Reiseziele Italiens steht die toskanische Hauptstadt damit weit oben. Der Spitzenreiter Venedig mit 25 Millionen Besuchern dürfte allerdings unerreichbar bleiben. Hier ist die Raumnot so drückend, daß die ursprünglichen Bewohner längst das Weite gesucht haben. Touristen durchschreiten eine Kulissenlandschaft, in der sie von Saisonarbeitern aus fernen Ländern bewirtet und bedient werden.

Ganz so weit ist man in Florenz noch nicht. Es gibt weiterhin Ureinwohner, die in der Stadt ausharren. Ihren Charakter prägen aber längst die Invasoren, die den Reisebussen entsteigen. Nicht wenige von ihnen meinen, daß sie sich alles herausnehmen dürfen, weil sie den Eingeborenen schließlich ein paar Euro zustecken. Wer dieser Belästigung Herr werden wollte, müßte wahrscheinlich gegen alle Menschenrechtskonventionen der Welt verstoßen. 

Anstatt den Verzehr von Lebensmitteln in die Illegalität zu treiben, sollte man ihn flächendeckend besteuern.

Es ist daher die Verzweiflung und nicht die Hoffnung auf Erfolg, die Bürgermeister Dario Nardella immer wieder dazu treibt, Dekrete zu erlassen, die den Touristen Benimmregeln auferlegen. Das jüngste schreibt ihnen vor, daß sie in vier Straßen der Altstadt keine Nahrungsmittel im Gehen oder Sitzen zu sich nehmen dürfen. Bei Zuwiderhandlung kann ein Bußgeld in Höhe von bis zu 500 Euro fällig werden. Die Verordnung hat den Nachteil, daß sie leicht auszutricksen ist. Hungrige müssen nur in eine Nebenstraße ausweichen. Zudem benachteiligt sie die Fast-Food-Verkäufer des betroffenen Distrikts. Dennoch hat Dario Nardella eine Idee in die Welt gesetzt, die sich zum Wohl der Stadt fortentwickeln läßt. Anstatt den Verzehr von Lebensmitteln in die Illegalität zu treiben, sollte man ihn vielleicht lieber besteuern – und dies flächendeckend, so daß niemand durch ein paar Schritte mehr günstiger davonkommen kann. Das häßliche Bild, das Touristen abgeben, die in der Öffentlichkeit fettigen Fraß herunterschlingen, läßt sich damit zwar nicht aus der Welt schaffen. Man darf aber wenigstens das gute Gefühl haben, daß die Übeltäter zur Kasse gebeten werden.