© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Entlassung eines Unbequemen
Stasi-Gedenkstätte: Der Rausschmiß von Hubertus Knabe sorgt bei CDU und AfD für Empörung
Peter Möller

Für die Linkspartei und Teile von SPD und Grünen ist es fast ein Skandal wie aus dem Bilderbuch. Die Führung der Berliner Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen um ihren Leiter Hubertus Knabe ist über den Vorwurf der sexuellen Belästigung gestürzt. So renommiert und angesehen die jährlich rund eine halbe Million Besucher zählende Gedenkstätte als Erinnerungs- und Aufklärungsort zur Geschichte des DDR-Unrechtsstaates auch ist: Insbesondere ihr selbstbewußter Leiter war der politischen Linken nicht nur in der Hauptstadt seit Jahren ein Dorn im Auge.

 Denn Knabe zeigte mit seiner Arbeit immer wieder Kontinuitäten der Linkspartei zum SED-Regime auf und widmete sich zudem intensiv dem Kampf gegen den Linksextremismus. Ein Engagement, das dem 59 Jahre alten Historiker zuletzt den Vorwurf einer angeblichen AfD-Nähe eingebracht hatte (JF 34/18). Ausgang der Affäre, die nun möglicherweise zu seinem endgültigen Sturz geführt hat, waren Vorwürfe gegen den stellvertretenden Gedenkstättenleiter Helmuth Frauendorfer wegen angeblicher sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen. 

Kristina Schröder „überrascht und entsetzt“ 

Erstmals waren diese vor zwei Jahren aufgetaucht. Doch nun beschuldigten ihn erneut mehrere Mitarbeiterinnen anonym in Schreiben an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei). Aus diesem Grund war er noch am Montag vergangener Woche von Knabe beurlaubt worden. Dennoch beschloß der fünfköpfige Stiftungsrat der Gedenkstätte am Dienstag einstimmig, auch Knabe zu entlassen. Ihm wird vorgeworfen, nicht konsequent genug auf die Vorwürfe gegen seinen Stellvertreter reagiert zu haben. 

Nach Angaben der Senatskulturverwaltung erhält Knabe eine ordentliche Kündigung. Wegen interner Ermittlungen wurde er umgehend von der Arbeit freigestellt. Knabe hat die Vorwürfe, die Aufklärung nicht mit aller Kraft betrieben zu haben, bestritten. Er sei den Beschwerden über seinen Stellvertreter nach bestem Wissen und Gewissen nachgegangen und habe Frauendorfer bereits Anfang 2016 „derartige Kommunikationsformen“ untersagt. Die Absetzung Knabes sorgte über Berlin hinaus für politische Reaktionen. Die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), die in ihrer Amtszeit zum Verdruß zahlreicher Linker mehrere Millionen Euro für Programme gegen Linksextremismus bereitgestellt hatte, zeigte sich „überrascht und entsetzt“ über die Entlassung. „Kenne keine Hintergründe. Aber das, was ich an Vorwürfen lese, scheint mir Entlassung nicht zu rechtfertigen. Vor allem nicht in Anbetracht der großartigen Leistung Knabes“, schrieb Schröder auf Twitter. Knabe sei einer der wenigen, der sich couragiert des Themas Linksextremismus angenommen habe. Abseits des politischen Streits um die Stasi-Gedenkstätte wächst die Sorge um die Zukunft der Einrichtung, die deutschlandweit zu den wichtigsten Institutionen bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zählt. 

Streit um ehemaligen Stasi-Spitzel Andrej Holm

Hier führen ehemalige Häftlinge Schülergruppen durch die frühere Stasi-Haftanstalt und vermitteln so ein authentisches Bild der sozialistischen Diktatur. „Wichtig ist erst einmal, daß die Arbeit in Hohenschönhausen weitergeht, daß das, was an guter Arbeit dort geleistet wird, fortgesetzt wird, und dafür müssen wir alle sorgen“, warnte daher der Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn. Beobachter vermuten, daß Kultursenator Lederer nur auf einen Vorwand gewartet hatte, um Knabe aus dem Amt zu jagen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner verwies etwa auf den Streit um die Stasi-Vergangenheit des kurzzeitigen Berliner Baustaatssekretärs, Andrej Holm, der sich bereits als Schüler für die Stasi verpflichtet hatte und noch im September 1989 als Offiziersschüler seinen Dienst angetreten hatte. 

Da Holm falsche Angaben über seine Stasi-Tätigkeit gemacht hatte, mußte er im Januar 2017 nach wenigen Wochen im Amt zurücktreten. Knabe hatte die Ernennung Holms damals scharf kritisiert: „Es zeigt, daß die Partei Die Linke beim Umgang mit der DDR-Vergangenheit immer noch nicht begriffen hat, daß nicht jedermann für jeden Posten geeignet ist.“ Wegner sieht daher einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Sturz Holms und der Absetzung Knabes. „Hubertus Knabe hat Holm damals der Lüge beschuldigt und seine Entschuldigung als unglaubwürdig zurückgewiesen. Damals hat sich die SPD noch schützend vor Hubertus Knabe gestellt“, sagte Wegner dem Magazin Cicero. In der vergangenen Woche beschäftigte die brisante Personalie auch das Berliner Abgeordnetenhaus. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion, Georg Pazderski, warf Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor, den Umgang mit Knabe zu tolerieren, um die Koalition mit Linken und Grünen nicht zu gefährden. 

Knabes Entlassung erinnere an „kommunistische Säuberungen in der DDR“, sagte Pazderski und forderte, den bisherigen Gedenkstellenleiter umgehend wieder in sein Amt einzusetzen. Doch das erscheint derzeit äußerst unwahrscheinlich. Mittlerweile wurde die frühere Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde Marianne Birthler (Die Grünen) von Lederer als Vertrauensperson für die Mitarbeiter der Gedenkstätte berufen, um als Schnittstelle zwischen Stiftungsrat und Gedenkstätte zu fungieren. Zudem werde sie bei der Nachfolgesuche für die Leitung der Gedenkstätte beraten, kündigte er an.