© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Ex-Soldat will aufräumen
Brasilien: Kurz vor der Präsidentschaftswahl sorgt der rechtskonservative Kandidat für linke Aufbruchstimmung
Josef Hämmerling

Steht Brasilien vor einem deutlichen Rechtsruck? Die letzten Umfragen sehen Jair Bolsonaro von der rechtskonservativen Sozial-Liberalen Partei (PSL) vorne. Sein Hauptkonkurrent bei den Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober ist der als linksextrem eingestufte 55jährige Fernando Haddad von der Arbeiterpartei (PT). Dessen Vizepräsidentin Manuela d’Ávila bis dato  Landtagsabgeordnete der Kommunistischen Partei ist. Haddad holte in den vergangenen Tagen in den Umfragen zwar auf, aber noch liegt Bolsonaro in den Umfragen vor seinem libanesisch-stämmigen Gegner.

Jair Bolsonaro, der 2014 mit den meisten Stimmen in Rio de Janeiro in den Kongreß des südamerikanischen Staats gewählt wurde, wird auch der „Donald Trump Brasiliens“ genannt. Genau wie der amerikanischen Präsident polarisiert auch Bolsonaro mit Äußerungen, etwa gegenüber Homosexuellen oder Kommunisten. Der Vater von fünf Kindern gilt als Hardliner und hat mehrfach Sympathien für die damalige Militärregierung geäußert, die das südamerikanische Land von 1964 bis 1985 regierte. So ist dann im Fall seines Wahlsiegs auch der 64jährige General Antônio Hamilton Mourão sein designierter Vizepräsident.

Fallschirmjäger mit „übermäßigem Ehrgeiz“

Der frühere Fallschirmjäger und spätere Hauptmann Bolsonaro – militärische Beurteilungen attestierten ihm einen „übermäßigen Ehrgeiz“ – begann seine politische Karriere 1988 mit der Wahl in den Stadtrat Rio de Janeiros für die christlich-demokratische Partei (PDC), für die er 1990 auch ein Kongreßmandat gewann. Im Laufe der nächsten Jahre wechselte Bolsonaro immer wieder zu anderen Parteien, ehe er in der PSL seine Heimat fand, die ihn nunmehr auch als Präsidentschaftskandidat nominierte. Der 63jährige ist ein ausgesprochener Gegner der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften und gleichgeschlechtlicher Eheschließung und mußte sich mehrfach wegen angeblich homophober Aussagen vor Gericht verantworten. So sagte er zum Beispiel 2013, daß „wir Brasilianer Homosexuelle nicht mögen“. Heute darauf angesprochen, antwortet Bolsonaro, diese Aussagen seien scherzhaft gemeint gewesen, aber ein gefundenes Fressen für seine politischen Gegner, die seine Worte überinterpretierten. So habe er diesen Satz zum Beispiel in einem Interview mit dem britischen Komiker Stephen Fry gesagt und dementsprechend gescherzt. Wegen Äußerungen, es werde nicht vorkommen, daß sein Sohn homosexuell werde oder sich in eine schwarze Brasilianerin verlieben würde, da er seine Kinder gut erzogen hätte, wurde Bolsonaro im April 2015 zu einer Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 150.000 Real (ca. 41.000 Euro) verurteilt.

Zu Bolsonaros politischen Hauptforderungen zählt neben der Stärkung des Militärs, dem er, angesichts von derzeit jährlich über 60.000 Morden,  unter anderem die öffentlichen Schulen des Landes unterstellen will, vor allem die innere Sicherheit. So sollen etwa Polizisten für jeden getöteten Verbrecher Prämien erhalten. Zudem beabsichtigt Bolsonaro die „guten Bürger“ zu bewaffnen, damit sie sich wehren können. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Kampf gegen die Korruption, die bis in die höchsten Staatskreise hineinreicht. So wurde der frühere Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (PT) der passiven Korruption und Geldwäsche für schuldig befunden und zu mehr als zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. 

Frauengruppen kämpfen gegen den „Faschisten“ 

Auch der amtierende Präsident Michel Temer sieht sich diesen Vorwürfen ausgesetzt. So genehmigte das Oberste Bundesgericht im Mai 2017 aufgrund mitgeschnittener Telefonate Korruptionsermittlungen gegen Temer, da dieser für einen Schaden der öffentlichen Hand von 200 Millionen US-Dollar verantwortlich sein soll. Obwohl ihm mehrere Minister die Gefolgschaft aufkündigten und es in vielen Städten zu Generalstreiks und Massenprotesten der Arbeiter kam, wobei es sogar einen erfolglosenSturm auf den Kongreß gab, lehnte die Abgeordnetenkammer sowohl im August als auch im Oktober 2017 mehrheitlich die Suspendierung Temers sowie die Aufhebung seiner Immunität ab. Auf eine weitere Kandidatur verzichtete Temer jedoch.

Bolsonaros Wirtschaftsminister soll der liberale Ökonom Paulo Guedes werden, der den Spitznahmen „Chicago Boy“ hat. Dessen Pläne zur Privatisierung und Verschlankung des Staats werden von der Wirtschaft unterstützt. So erhofft sich Bolsonaro von den Unternehmen auch Wahlkampfgelder, auch um sich damit TV-Spots kaufen zu können. Denn die Wahl am 7. Oktober ist nur die erste Runde. Am 28. Oktober sind rund 145 Millionen Brasilianer zur Stichwahl aufgerufen, bei der dann der Präsident gekürt wird.

Nachdem Bolsonaro am 7. September bei einem Wahlkampfauftritt in der Stadt Juiz de Fora von einem Mann niedergestochen wurde und nur per Notoperation gerettet werden konnte, muß er auf Wahlkampfauftritte verzichten, was ihm aber nicht schadete. Das Meinungsforschungsinstitut Ibope sieht den Ex-Offizier mit 28 Prozent vorne, gefolgt von Haddad mit 22 Prozent. 

Aus diesem Grund verschärfte die Opposition am vergangenen Wochenende ihre Bemühungen, Bolsonaro doch noch zu verhindern. Unter dem Motto „Ele não“ („Der nicht“) gingen Hunderttausende auf die Straßen, um  ihren Unmut über den „Faschisten“ kundzutun. Organisiert wurden diese Proteste von mehreren Frauengruppen, die von US-Popstar Madonna unterstützt werden. 

Dagegen erklärte Bolsonaro, inzwischen gesundheitlich wieder so fit zu sein, um beim Wahlkampf zur Stichwahl aktiv mitmachen zu können. Er werde seine Kampagne am 12. Oktober wieder aufnehmen, kündigte der Hoffnungsträger des politisch rechten Lagers an.