© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Mister Daimler tritt ab
Pariser Autosalon: Trotz Dieselaffäre und Klimaschutzauflagen feiern die Hersteller in der EU Absatzrekorde
Christian Schreiber

Grünen-Wähler sollten bis 14. Oktober den Place de la Porte de Versailles meiden, denn auf dem diesjährigen Pariser Autosalon werden mit viel Pomp ihre erklärten Lieblingsfeinde präsentiert: groß ausschauende und PS-starke SUVs wie der in Ungarn produzierte Audi Q3, der BMW X5, der Citroën-Ableger DS 3 Crossback, der Mercedes GLE, der Porsche Macan, der Seat Tarraco oder der Škoda Kodiaq RS. Auch der neue Porsche 911 und die 3er-Reihe – das Brot-und Butter-Auto von BMW – feiern dort Weltpremiere.

Die Pariser Pkw-Messe wechselt sich im Zweijahrestakt mit der Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main ab. Doch der Charme der großen Automobilmessen scheint zu bröckeln. Zwar sind auch im 120. Gründungsjahr zahlreiche Hersteller wieder auf dem „Mondial de l’Automobile“ vertreten. Doch einige große Namen fehlen: VW, Fiat, Mazda, Mitsubishi, Nissan, Opel oder Volvo. Die Amerikaner sind nur mit dem Elektropionier und Verlustbringer Tesla vertreten.

Dafür feiert VinFast seine Premiere: Der vietnamesische Hersteller unter Führung des 50jährigen Bau- und Nudel-Milliardärs Pham Nhat Vuong präsentiert ein siebensitziges SUV auf Basis des alten BMW X5 und eine Limousine, die auf der 5er-Reihe beruht. Beide sollen ab 2019 in einem neuerrichteten Werk unweit der drittgrößten Stadt Haiphong vom Band laufen.

Bei größeren Modellen wird weiter auf den Diesel gesetzt

So erscheint der Autosalon Paris manchem wie eine Veranstaltung für Nostalgiker. 1898 wurde die Messe erstmals im Tuileriengarten beim Louvre eröffnet und die 232 ausgestellten Fahrzeugen von 140.000 Besuchern bewundert. In diesem Jahr werden 1,5 Millionen erwartet. „Wichtige Neuheiten stellen die Automobilhersteller mittlerweile bei singulären Showevents vor. Dort ist die Aufmerksamkeit ungeteilt. Auf den Messen landet der Rest“, ätzte die Süddeutsche Zeitung, die lieber politisch korrekt E-Autos wie den 80.000 Euro teuren Audi E-tron und den wohl ähnlich teuren Mercedes EQC in den Elektro-Himmel lobt.

In der Realität sieht es hingegen ganz anders aus: In der EU wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres 8,45 Millionen neue Pkws abgesetzt – 2,9 Prozent mehr als 2017. In den neuen EU-Ländern (EU-13) stieg die Zulassungszahl sogar um 11,4 Prozent auf 744.000. In Rußland stieg das Absatz um 18,2 Prozent auf 849.000. Der SUV VW Tiguan war, nach den diversen Golf-Modellen, von Januar bis August mit 59.670 Stück das zweitmeistverkaufte Auto Deutschlands – und das trotz Lieferschwierigkeiten.

Reine E-Autos spielen mit Anteilen im Ein-Prozent-Bereich keine Rolle. Nur die Hybride von Toyota – Benziner, die ihre Bremsenergie in einem Akku speichern sind verkaufstechnisch im Taxibereich eine ernstzunehmende Konkurrenz. Der weltgrößte Autokonzern hat den Diesel in seinen Pkw-Reihen zwar demonstrativ ausgemustert – der Pick-up Hilux und der Toyota-Minivan Proace Verso werden auf dem Pariser Autosalon weiterhin als Diesel angepriesen. Auch der Renault Espace und Pick-up Alaskan setzen – wie seine Klone Nissan Navara und die Mercedes-X-Klasse – weiter auf den Dieselantrieb.

In den USA, wo Benzin gegenüber Dieselkraftstoff steuerlich nicht benachteiligt wird, sieht es hingegen anders aus. Audi, VW und Porsche haben ihre irrwitzige Dieselmissionierung der Amerikaner schon mit bislang umgerechnet mehr als 25 Milliarden Euro bitter bezahlt. Auch BMW verkauft ab dem kommenden Jahr in Nordamerika keine Autos mehr mit Dieselmotoren. Statt dessen soll auf Plug-in-Hybride gesetzt werden. Diese teuren Benziner haben einen zusätzlichen Elektroantrieb, dessen Akku sich nicht nur über die Bremsenergie und den Verbrennungsmotor, sondern auch per Steckdose aufladen läßt, und die 20 bis 40 Kilometer rein elektrisch fahren können (JF 40/18).

Nur noch Ölwechsel machen und das Blech ausbeulen?

Gleichzeitig tobt zwischen BMW und seiner deutschen Absatzfront ein erbitterter Streit. Der Münchner Konzern hatte seine Vertragshändler aufgefordert, die neuen Händlerverträge bis zum 26. September zu unterschreiben. Diese ließen das Ultimatum ergebnislos verstreichen, da sie sich um ihre Margen betrogen fühlen. BMW will offenbar hart bleiben. „Wer die neuen Verträge nicht unterschreibt, soll vereinfacht gesagt nur noch Ölwechsel machen und Blech ausbeulen“, analysierte der Focus und zitierte aus einem internen BMW-Schreiben. „Sollten Sie entgegen unserer Annahme kein Interesse mehr an der Fortführung Ihres Händlervertrags haben, besteht die Möglichkeit, mit uns als autorisierte Vertragswerkstatt zusammenzuarbeiten.“

Dagegen mutet der Generationswechsel beim Stuttgarter Rivalen fast schon harmonisch an. „Mister Daimler“, Dieter Zetsche, will im Mai 2019 abtreten und nach einer Ruhephase im Jahr 2021 mit dann 68 Jahren an die Spitze des Aufsichtsrats wechseln. Auf ihn folgt im kommenden Frühjahr Ola Källenius, der derzeit das Forschungs- und Entwicklungsressort verantwortet. Der 49jährige Schwede „soll Daimler ruhig um alle Krisenherde herumführen, für Visionen fehlt der Branche derzeit die Kraft. Damit geht in Deutschland auch eine Ära legendärer Konzernchefs zu Ende“, kritisierte Die Welt.

Bei den diversen Diesel-Gipfeln, mit denen die Politik dem Wahlvolk in Bayern und Hessen die begründete Angst vor Fahrverboten nehmen will, mischt Zetsche zusammen mit seinen Amtskollegen von BMW und VW aber noch kräftig mit. Und während er 2015 die Bundesregierung bei ihrer Willkommenspolitik mit seinem Schwärmen vom „nächsten deutschen Wirtschaftswunder“ durch die Flüchtlingsaufnahme medial unterstützte, beißen Angela Merkel und ihre Minister nun bei Zetsche & Co. auf Granit: Umtauschprämien, Hardware-Nachrüstungen und Rückkaufangebote soll es zwar geben – aber sämtliche Kosten dafür werde die Autoindustrie selbstverständlich nicht tragen.

Denn die meisten Diesel-Pkws entsprachen bei der Zulassung den damaligen Stickoxid-Grenzwerten. Daß die Abgasreinigung bei hohen und niedrigen Temperaturen kaum wirksam ist, war – im Gegensatz zu den USA – in der EU politisch abgesegnet. Aber auch ausländische Diesellieferanten wie Renault, Peugeot, Citroën, Fiat oder Jeep freuen sich über die legalen Möglichkeiten zum Schummeln („Thermofenster“). Und die lachen sich bei den deutschen Dieselkamalitäten ins Fäustchen.

Der Pariser Autosalon läuft vom 4. bis 14. Oktober am Place de la Porte de Versailles:  www.mondial-paris.com