© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Verschlungene Wege weg vom Dollar
Weltfinanzsystem: Eine gemeinsame Handelsplattform von EU, China und Rußland soll das US-sanktionierte Iran-Geschäft aufrechterhalten
Thomas Kirchner

Vom Dollar unabhängig werden – ein Traum von Politikern aus aller Welt: Was unzählige Versuche nicht geschafft haben, soll jetzt eine auf Initiative Deutschlands zu gründende europäische Zweckgesellschaft (Special Purpose Verhicle/SPV) zustande bringen. Aktueller Auslöser sind die Iran-Sanktionen der USA, aber die Abneigung gegen den Dollar hat eine längere Vorgeschichte und vereint Antiimperialisten mit Nationalisten, Entwicklungsländer mit Wohlfahrtsstaaten oder Islamisten und Sozialisten.

Die USA überstrapazieren ihr Leitwährungsprivileg

Die Dollarhegemonie wurde 1944 im System von Bretton Woods institutionalisiert, und sie besteht seit dem Ende dieses Pseudogoldstandards 1971 (JF 11/18) weiter. Dies ist keine Überraschung, denn in vergangenen Jahrhunderten stellte stets die jeweilige Weltmacht die Leitwährung: das britische Pfund für den größten Teil des 19. Jahrhunderts, zuvor der französische Franc, der Anfang des 18. Jahrhunderts den holländischen Gulden als Leitwährung ablöste.

War die Kritik am Dollar als Leitwährung bisher ideologisch motiviert, kommen jetzt handfeste wirtschaftliche Interessen hinzu. Die USA überstrapazieren ihr Leitwährungsprivileg, indem sie den Dollar als Waffe nutzen und so ihre Politik anderen Staaten aufzwingen. Eine Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs (IGH) der Uno in Den Haag zur Streitschlichtung lehnen die USA ab. Es scheint, als hätte Donald Trump damit den Bogen überspannt. Wenn nicht mehr nur Querulanten wie Rußland, China und Iran an Alternativen zur Zahlungsabwicklung arbeiten, sondern auch die EU, könnte erstmals ein ernstzunehmender Schritt gegen die Dollar-Hegemonie zustande kommen.

Den Greenback als Rechnungseinheit kann die SPV-Initiative nicht ablösen. Rohstoffe und andere grenzüberschreitende Transaktionen werden weiterhin in Dollar abgerechnet. Lediglich die Begleichung dieser Zahlungen wird sich ändern. Bisher laufen alle Zahlungen in Dollar über die US-Zentralbank Fed. Zahlungen in Dollar zwischen Konten außerhalb der USA werden über Korrespondentenbanken abgewickelt, die untereinander über die New Yorker Fed-Niederlassung abrechnen. Dies erlaubt amerikanischen Strafverfolgern zu argumentieren, daß die Zahlungen über US-Territorium laufen und deshalb US-Gesetze Anwendung finden – einschließlich von Sanktionen.

Vielen ausländischen Banken ist dieses Prozedere teuer zu stehen gekommen. So mußte 2015 die französische Großbank BNP 8,9 Milliarden Dollar Strafe zahlen, weil sie Zahlungen für Kunden in Dollar abgewickelt hatte, die mit Sudan, Kuba und Iran Geschäfte machten. Die Geschäfte selbst brachen möglicherweise gar keine US-Sanktionen. Allein die Tatsache, daß die Zahlungen in Dollar liefen und indirekt über ein Fed-Verrechnungskonto liefen, war Grund genug, die Bank abzustrafen. Die Commerzbank traf es im selben Jahr mit einer etwas geringeren Strafe von 1,45 Milliarden Dollar. Die Deutsche Bank kam zwischen 2015 und 2017 auf knapp eine Milliarde an US-Strafen wegen Verletzung von Sanktionen. Es sind Summen, die auch die Politik hellhörig werden lassen. Den europäischen Staaten entgehen durch die gewinnmindernden Strafen viele Milliarden an Steuereinnahmen.

Aufstieg der chinesischen Währung Renminbi?

Mit der jetzt geplanten SPV kann die Abwicklung von Dollarzahlungen über New York vermieden werden. Die Zweckgesellschaft würde die Zahlungen der teilnehmenden Banken gegeneinander verrechnen und nur den Nettosaldo über die Fed laufen lassen. Sanktionierte Zahlungen, die ohnehin nur einen Bruchteil des globalen Dollarzahlungsverkehrs ausmachen, werden so mit der großen Zahl unsanktionierter Zahlungen vermischt und verbleiben auf europäischem Boden. Die Berlin-Brüsseler Initiative hat bessere Erfolgsaussichten als andere laufende Projekte, weil sie nicht den Dollar als Währung ersetzen will, sondern lediglich die Abwicklung von Zahlungen dem Zugriff der US-Justiz entzieht.

Dies ist ein entscheidender Unterschied. Die BRICS-Länder (Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika) gründeten 2015 die New Development Bank (NDB) in Shanghai, die sie unabhängig von Währungsfonds (IWF) und Weltbank machen soll. Bilaterale Währungstauschgeschäfte, auf die sich Rußland und China geeinigt haben, sowie ähnliche Abmachungen in Höhe von 100 Milliarden Dollar im Rahmen der NDB, die den IWF imitieren und bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten aktiviert werden sollen, haben bisher keine nennenswerten Auswirkungen auf internationale Zahlungsströme gehabt.

Auch der Aufstieg der chinesischen Währung Renminbi (Yuan) zu einer wichtigeren asiatischen Reservewährung als Dollar und Euro hat das Blatt nicht wenden können. Trotz dieser Aktivitäten wird ein Großteil des Handels zwischen China und Rußland weiterhin in Dollar abgewickelt. Politischer Wille allein reicht eben nicht.

Dollarkritiker sollten sich nicht zu früh über die SPV freuen. Noch ist nicht klar, wie die USA reagieren werden. Es wäre denkbar, daß europäische Banken, die mit der Zweckgesellschaft zusammenarbeiten, Schwierigkeiten in ihrem US-Geschäft bekommen, oder daß ihnen der Zugang zum US-Markt verboten wird. Sicher ist, daß die USA nicht einfach zusehen werden, wenn ihnen die Europäer einen Strich durch die Rechnung machen. Für den Iran, der nur 0,7 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung erbringt, wird niemand bereit sein, den Zugang zum US-Markt zu riskieren, der 24 Prozent erwirtschaftet.

The Federal Reserve Bank of New York:  www.newyorkfed.org

The New Development Bank (NDB):  www.ndb.int