© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Verstoßen vom Olymp
Deutsche Bank: Wie die Deutsche Bank Macht, Einfluß und Geld verspielt hat / Eklatante Fehlentwicklungen in der Unternehmens- und Managementkultur
Carsten Müller

Es ist ein bislang einmaliger Vorgang und eine unausgesprochene Demütigung für das größte private Geldhaus Deutschlands: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) schickt einen Sonderbeauftragten zur Deutschen Bank. Dieser soll in den nächsten Jahren aufpassen, daß die 1870 gegründete Traditionsbank alle nötigen Maßnahmen umsetzt, um Geldwäsche und die Finanzierung von Terroristen zu verhindern. Zwar steht die Deutsche Bank damit nicht alleine da. Denn im Nachbarland Schweiz mußte vor kurzem auch die bereits 1856 gegründete Credit Suisse einen neuen Aufpasser akzeptieren.

Quittung für Forcierung des Investmentbank-Geschäftes

Dennoch markiert dieser Schritt einen weiteren Tiefpunkt in der nun schon ein Jahrzehnt dauernden Krise dieser Bank. Schaut man auf den heutigen Zustand des Kreditinstitutes, drängt sich natürlich die Frage auf, wie so etwas überhaupt geschehen konnte. In früheren Jahren galt das ursprünglich in Berlin gegründete Institut geradezu als Inbegriff finanzieller Solidität. Würden frühere Vorstandsvorsitzende wie Hermann J. Abs oder Alfred Herrhausen auf den heutigen Zustand „ihrer“ Bank schauen, käme ihnen wohl das Grausen. Dabei ist der Niedergang nur im geringen Umfang den veränderten Marktbedingungen geschuldet. Vielmehr waren es zum Teil eklatante unternehmerische Fehlentscheidungen und letztlich auch die Folgen massiven Fehlverhaltens, welche die Bank geradezu vom Olymp der Finanzindustrie fallen ließen.

Im Jahre 1999, unter Vorstandssprecher Rolf Breuer und mit der Übernahme der amerikanischen Bankers Trust war die Deutsche Bank sogar kurzzeitig  das globale Spitzeninstitut. Heute reicht eine Bilanzsumme von 1,4 Billionen Euro nicht einmal für die Top Ten der internationalen Banken. Hinsichtlich der Marktkapitalisierung der Aktien liegt man sogar nur noch auf Platz 50. Dies ist die Quittung dafür, daß man in den letzten 20 Jahren dem Ziel einer exorbitanten Rendite alles unterordnete. Berühmt-berüchtigt sind die 25 Prozent und mehr, die der damalige Vorstandssprecher Josef Ackermann ausrief.

Erreicht werden sollte dies vor allem durch einen massiven Ausbau des Investmentbank-Geschäftes. Doch genau dieser Bereich war es, der nach der Finanzkrise 2007/08 das gesamte Institut in den Keller zog. Ob nun faule Hypothekenpapiere oder Manipulationen von Marktzinsen – bei allem hatte die Deutsche Bank ihre Finger mit drin. Und muß seit Jahren dafür die Rechnung zahlen. Wobei auch hier erneut massive Fehleinschätzungen getroffen wurden. Während beispielsweise amerikanische Banken relativ zügig ihr Fehlverhalten in der Hypothekenblase eingestanden und schnell die Strafzahlungen ableisteten, versuchte etwa die Deutsche Bank die amerikanischen Aufsichtsbehörden lange hinzuhalten. Mit dem Ergebnis, daß es 2016 zeitweise sogar danach aussah, als wenn die Bank aufgrund horrender Strafzahlungen pleite gehen könnte, weil die US-Behörden natürlich bei solch einem Verhalten die Geduld verloren. Gerade diese Vorgänge zeigten aber auch, welche eklatanten Fehlentwicklungen es in der Unternehmens- bzw. Managementkultur innerhalb der Deutschen Bank gab.

Man kann es wohl nicht anders sagen: Die Deutsche Bank war lange Zeit der Inbegriff für „Arroganz der Macht“. Als Hauptfinanzier der Deutschland-AG und bestens vernetzt mit den politischen Schaltzentralen hielt man sich faktisch für unangreifbar. Was auch noch nach der Finanzkrise mit dem Prädikat „systemrelevant“ geadelt wurde. Doch zeigt sich inzwischen: Ein Kreditinstitut, das seinen originären Aufgaben nicht mehr nachkommen kann, weil es letztlich nur noch mit Strafzahlungen, Rechtskosten und Umstrukturierungen beschäftigt ist, hat seine Funktion für die Wirtschaft verloren und wird letztlich zur Dispositionsmasse. Was sich auch in den fortlaufenden Fusionsspekulationen niederschlägt. Mal ist es die Schweizer UBS, die als möglicher Fusionspartner gehandelt wird, mal französische Institute wie BNP Paribas oder italienische Wettbewerber wie UniCredit. Aber am häufigsten genannt wird immer noch die Commerzbank.

Daß sich die Spekulationen einer deutschen Bankenlösung so hartnäckig halten, verwundert. Denn bislang fehlt es der deutschen Bankbranche an erfolgreichen Beispielen für Fusionen. Man denke nur an Commerzbank und Dresdner Bank. Doch auch die Deutsche Bank hat letztlich ihren hauseigenen Fehlgriff. Die ab 2009 schrittweise übernommene Postbank war der Versuch, sich stärker aufs Privatkundengeschäft zu konzentrieren. Allerdings wollte man ab 2015 die Postbank nach einem erneuten Strategiewechsel wieder abstoßen, was aber mißlang. Nun wird das Institut doch noch voll integriert. Hinsichtlich eines Zusammengehens von Commerzbank und Deutsche Bank fehlt es aber nicht nur an positiven Beispielen. Vielmehr wäre es eine Fusion unter Gleichen –unter gleich Schwachen.

Die nächste Gewinnwarnung kommt bestimmt

Und es wäre eine Fusion zwischen zwei Kreditinstituten, die derzeit mehr mit sich selbst beschäftigt sind als daß sie solch eine neue Integrationsaufgabe stemmen könnten. Daß die Deutsche Bank entsprechenden Marktüberlegungen bislang eine Abfuhr erteilt, wundert also nicht. Allerdings gänzlich ausschließen will man solche Planspiele auch nicht. Deutlich wahrscheinlicher dürfte aktuell eine europäische Lösung sein. Hier wird besonders die Schweizer UBS genannt. Doch auch wenn die Deutsche Bank am Kapitalmarkt derzeit sehr billig erscheint, so wird sie in der Branche nicht als Schnäppchen gesehen. Denn jeder Käufer würde sich letztlich die alten Probleme mit einhandeln, und ob es da nicht noch unentdeckte Risiken gibt, ist mehr als unklar.

Ehe solche Überlegungen auf nationaler oder internationaler Ebene überhaupt realistisch sein können, muß die Deutsche Bank sowieso erst einmal ihre andauernde Ertragsschwäche in den Griff bekommen. Wobei die Vorzeichen für die nächste Bilanzvorlage erneut trübe sind. Aktuell warnte bereits Finanzvorstand James von Moltke, daß die Bank im dritten Quartal wieder deutlich weniger Gewinn erwirtschaftet hat. Marktanalysten schätzen, daß der Gewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur noch ein Drittel beträgt. Für das einstige Dax-Schwergewicht dürfte das erneut zur Belastung werden.