© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Am Ende einer Sackgasse
Kulturbetrieb: Die Frankfurter Buchmesse verbannt dieses Jahr ihr unbequeme Verlage in eine Art Ghetto
Martina Meckelein

Sie wurde 1949 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels gegründet: die Frankfurter Buchmesse. Seit 2005 ist der Buchhändler Juergen Boos ihr Direktor. Und eines muß man ihm zugute halten, er macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. „Ich will die rechten Verlage nicht hier haben, aber wir müssen sie zulassen.“ Das sagte er im Nachgang der Tumulte 2017 auf der Messe in einem Spiegel-Interview. Gemeint hatte er damit auch den Verlag der JUNGEN FREIHEIT.

Was war geschehen? Seit 1991 ist die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT auf der internationalen Messe vertreten. Im vergangenen Jahr kam es zu Ausschreitungen. Die Messe hatte den Antaios-Verlag von Götz Kubitschek – er gilt als Vordenker der Identitären Bewegung – in Halle 3, die JF und den Manuscriptum-Verlag in Halle 4 plaziert. Umrahmt wurden die Stände unter anderem von Linksaktivisten wie der Amadeu-Antonio-Stiftung. Die junge freiheit hatte zuvor die Messe darauf hingewiesen, daß es bei solchen Plazierungen zu Spannungen kommen könnte. Das war schon in der Vergangenheit passiert.

Die Stimmung war, wie vorausgesagt, angespannt. Linksextreme beschmierten den Antaios-Stand mit Zahnpasta, es wurden Bücher gestohlen, auch alle Exemplare der Zeitschrift Tumult waren am Manuscriptum-Stand verschwunden oder beschädigt.

Der linksradikale Trikont-Musikverleger Achim Bergmann erhielt am selben Tag zwar vor dem Stand der jungen freiheit einen Faustschlag ins Gesicht, allerdings von einem unbekannten Messebesucher und nach massiven verbalen Provokationen seinerseits. Am Samstag kam es seitens linksextremistischer Antifa zur vollständigen Eskalation, als sie die Auftritte des AfD-Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag, Björn Höcke, und der österreichischen Galionsfigur der Identitären Bewegung Martin Sellner, gewaltätig verhindern wollten. Der Antaios-Verlag hatte eingeladen zur Buchvorstellung: „Mit Linken leben“. 

Schnell war für die Presse klar: Die rechten Verlage hätten schuld. Einzig die Welt fragte angesichts der Gewalt: „Fäuste statt Worten, Handgreiflichkeiten statt Herausgeberschaften, Prügeln statt Reden: Es ist das Worst-Case-Szenario einer Buchmesse, die sich – seit Jahren schon, und diesmal besonders deutlich – für das Wort, für die Freiheit einsetzen will. Dialogbereitschaft ja. ‘Mit Rechten reden’ (nicht zufällig heißt ein gerade erschienenes Buch so), nein danke?“

Und heute? Welche Strategien hat die Buchmesse entwickelt, um solch eine Eskalation zu verhindern? Dialog? Diskussionsforen? Miteinander statt übereinander reden? Um es kurz zu machen: Separation heißt die Antwort. Ghettoisierung wird als das innovative Sicherheitskonzept von der Buchmesse verkauft.

Kritische Stimmen zum Vorgehen der Messeleitung

In der Halle 4.1 führt ein schmaler Gang rund 30 Meter zu einer Art Wendehammer. Dort, am Ende der Sackgasse soll sich jetzt der JF-Verlag fünf Tage lang, vom 10. bis 14. Oktober, präsentieren. Abgeschirmt von den Besucherströmen, isoliert und „kontrolliert“, wie eine Sprecherin der Messeleitung aktuell von der Deutschen Presse-Agentur zitiert wird.

Doch Boos’ Sicherheitsstrategie der Separierung könnte nach hinten losgehen. Immer mehr kritische Stimmen melden sich zu Wort. Der Journalist Roland Tichy beurteilte auf Anfrage dieser Zeitung die Separierung unliebsamer Verlage durch die Messe  folgendermaßen: „Der Vorstand der Buchmesse hat seine Lektion aus der Geschichte nicht gelernt.“ Harter Tobak. Aber damit steht er nicht alleine. „Das ist räumliche Apartheid, motiviert durch diskursive Feigheit“, kommentiert der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt die Plazierung. 

Der Journalist Matthias Matussek fühlt sich bei der Lage und dem Zugang an eine Quarantänestation erinnert. „Offenbar befürchten die lamm- und staatstreuen Messeplaner den Ausbruch eines gefürchteten Virus: den des Widerspruchsgeistes, der Unbotmäßigkeit gegen die Herrschaftsbürokratie, gemeinhin bekannt unter dem Namen „Herrschaftskritik“.

Doch warum scheut die Messe den Dialog mit einem ihr anscheinend unbequemen Medium?

Die Glaubwürdigkeit der Messe steht auf dem Spiel

Der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts Hans Hugo Klein vermutet: „Offenkundig deshalb, weil ihr die Argumente fehlen. Wer so handelt, hat keinen Grund, sich über die Verhältnisse in der Türkei zu beklagen. Ich kenne die junge freiheit seit Jahren als ein Medium, das zum Zeitgeschehen wesentliche Überlegungen beiträgt – wie immer man inhaltlich zu diesem oder jenem Artikel steht.“

Tatsächlich steht die Glaubwürdigkeit der Messe auf dem Spiel. Wird sie doch damit zitiert, daß sie keine Inhalte bewerte und großen Wert auf Meinungsfreiheit lege. Gerade diesen Aspekt sieht Matthias Matussek ktitisch: „Glaubwürdigkeit ist ein Kapital, mit dem man gerade auf einer Messe, die von der Intelligenz frequentiert wird, sorgsam umgehen sollte.“

Ebenfalls kritisch zum Vorgehen der Buchmesse äußert sich gegenüber dieser Zeitung der Jurist und Blogger Joachim Steinhöfel: „Auf ihrer Website spricht die Frankfurter Buchmesse davon, Menschenrechte bildeten die Basis für jede freie, demokratische Gesellschaft.“ Steinhöfel hält dieses Vorgehen für pure Heuchelei. Die Buchmesse betreibe ideologische Diskriminierung und Segregation und verletze in beschämender Weise Meinungsfreiheit und Gleichbehandlungsgrundsatz. „Sein Leben dafür geben, Andersdenkende nicht mundtot zu machen? Das hat Voltaire sich anders vorgestellt.“

Ebenfalls hart geht der Blogger David Berger mit der Messeleitung ins Gericht. Er hält den Managern vor, durch ihre Redeverbote, ihre „Böhmermann-Listen“, ihre Sperrmentalität in den sozialen Netzwerken, ihre Exkommunikationen von Diskursteilnehmern aus Symposia etc. jeden Lebensraum zu zerstören, in dem ein solcher Dialog möglich wäre. „Sie gerieren sich als die neuen Großinquisitoren ihrer Dogmen der Politischen Korrektheit, die zu hinterfragen zum Verbrechen erklärt wird.“

Aber vielleicht geht die Strategie der Buchmesse – mundtot machen durch Ghettoisierung – auch nach hinten los. Nicolaus Fest, Jurist und Autor, sagt gegenüber dieser Zeitung: „Es ist ein Ritterschlag – zeigt es doch, wo die einzig interessanten Debatten stattfinden.“