© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Frisch gepresst

Storm und Fontane. „Er war für den Husumer Deich, ich war für die Londonbrücke.“ So erinnerte sich der weitgereiste Großstädter Theodor Fontane an den Schriftstellerkollegen Theodor Storm, dem er herablassend „Husumerei“ und „Provinzialsimpelei“ attestierte. Das spöttische Urteil ausgerechnet aus der Feder eines Autors, dessen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zum Vorbild für unzählige Produzenten brandenburg-preußischer Heimatkunde-Literatur geworden sind, bestimmte das tendenziell negative Storm-Bild noch bis in die 1970er Jahre. Seitdem hat die literaturhistorische Forschung jedoch aufgezeigt, daß es Storm genauso wie Fontane gelungen ist, „den großen Zusammenhang der Dinge“ im Spannungsfeld von Region und Welt darzustellen. Diese künstlerische Nähe, die die sich gegenseitig bewundernden Autoren selbst schon empfanden, half ihnen aber zeitlebens nicht über menschliche „Dissonanzen“ hinweg, die charakterlich und politisch bedingt waren. Die nunmehr historisch-kritische, umfassend kommentierte Ausgabe ihrer fast 40jährigen, von langen Schweigephasen unterbrochenen Korrespondenz dokumentiert diese wenig harmonische Beziehungsgeschichte und entführt zugleich aus der heutigen „Twitter“-Barbarei in die märchenhaft anmutende Briefkultur des 19. Jahrhunderts. (wm)

Gabriele Radecke (Hrsg.): Theodor Storm – Theodor Fontane. Der Briefwechsel. Historisch-kritische & kommentierte Ausgabe. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2018, broschiert, 528 Seiten, Abbildungen, 29,95 Euro





Judentum. Innerhalb des alten k.u.k. Reiches waren Juden eine aus Sicht des Wiener Hofes systemstabilisierende Minderheit. Das lag einerseits daran, daß sie im Vielvölkerstaat – anders als in ihren „Rayons“ im Zarenreich – vor Pogromen geschützt leben konnten und diese sichere Rechtsstellung mit Loyalität quittierten. Für die assimilierten Juden stellte zudem die deutsche Sprache und Kultur die wesentliche Bezugsgröße dar. Das galt besonders in Böhmen, wo nach 1918 allein im Sudetenland über 25.000 Juden lebten, deren jahrhundertealte Kultur 1938 mit Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten ein jähes Ende fand. Auf einem Symposium von 2017 anläßlich der „Egerer Gespräche“ fußend, hat nun der Potsdamer Emeritus Wilfried Heller mehrere Beiträge versammelt, die dieses Schicksal beleuchten. (bä)

Wilfried Heller (Hrsg.): Jüdische Spuren im ehemaligen Sudetenland. Verlag Inspiration Unlimited, Berlin 2018, broschiert, 157 Seiten, Abbildungen, 13,90 Euro