© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/18 / 05. Oktober 2018

Knapp daneben
Technik ist inakzeptabel
Karl Heinzen

Der „Allgemeine Studierendenausschuß“ der Technischen Universität Braunschweig sorgt sich um das körperliche Wohlbefinden und die ethische Integrität seiner Schutzbefohlenen. Gleich beides wird durch Werbeplakate einer Firma Pierburg, die in der Mensa zu sehen sind, aufs Spiel gesetzt. Der Name des Unternehmens klingt zwar unverdächtig, und in der Tat verbirgt sich hinter ihm bloß ein Zulieferer für die Automobilindustrie. Allerdings gehört Pierburg zum Mischkonzern Rheinmetall, der nach landläufiger Auffassung einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, daß deutsche Waffen und deutsches Geld in aller Welt mitmorden können. Mensabesuchern, die um diesen blutigen Kontext wissen, dürfte die Werbung auf den Magen schlagen. Die Unwissenden, man darf davon ausgehen, daß sie in der Mehrheit sind, bleiben davon zwar verschont. Ihnen droht jedoch die Gefahr, bei der Jobsuche den Pierburg-Lockrufen unbedarft auf den Leim zu gehen und schon mit dem Berufseinstieg auf die schiefe Bahn zu geraten.

Nähme der AStA seinen moralischen Auftrag ernst, würde er die Technische Universität auflösen.

Sollte es dem AStA gelingen, die Werbung aus der Mensa zu verbannen, hätte er jedoch nur einen Teilerfolg erzielt. Wer an einer Technischen Universität studiert, strebt unweigerlich in einen Beruf, in dem mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, daß der Arbeitgeber inakzeptable Zwecke verfolgt. Technik zerstört die Umwelt und ruiniert das Klima. Sie entmündigt, überwacht und gängelt den Menschen, um ihn irgendwann ganz zu ersetzen. Häufig stellt sie auch völlig unverhohlen Mordinstrumente bereit. Jeder, der sich auf Technik einläßt, macht sich zu ihrem Komplizen. Nähme der AStA seinen moralischen Auftrag ernst, würde er daher nicht bloß die Werbung in der Mensa zensieren, sondern diese Einrichtung ganz schließen wollen. Mehr noch, er würde für die Auflösung der Technischen Universität kämpfen, um die Studierenden aus ihrer Gewissensnot zu befreien. Allerdings sollte er sich davor hüten, ihnen die Geisteswissenschaften als eine Alternative nahezulegen. Deren ethische Unbedenklichkeit kann nur behaupten, wer noch nie etwas vom Begriff des Schreibtischtäters gehört hat.