© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Zoltan Istvan ist Künder der nächsten Revolution und der Welt, wie sie bald sein könnte
Der Prophet
Moritz Schwarz

Politiker haben sich schon manch ehrgeiziges Ziel gesteckt, aber was Zoltan Istvan den Wählern verspricht, übertrifft alles bisher Dagewesene: Schenken Sie ihm ihr Vertrauen, will er endlich gegen einen gesellschaftlichen Mißstand vorgehen, der von der Politik bisher völlig ignoriert worden ist: Zoltan Istvan will den Tod abschaffen. 

Leider nur haben bisher zu wenige Bürger seine Botschaft zu schätzen gewußt – 2016 wählten  sie lieber Donald Trump zum Präsidenten, und auch Gouverneur von Kalifornien wird Istvan Ende 2018 nicht mehr werden. Vielleicht weil die Wähler ihn für einen Scherzbold halten? Da aber liegen sie falsch, Zoltan Istvan meint es ernst – todernst! 

Der 1973 geborene Kalifornier, Sohn ungarischer Einwanderer, ein breitschultriger ehemaliger Wettkampfschwimmer mit selbstbewußtem Blick, ist alles andere als ein Spinner. Er schreibt für eine Reihe anerkannter US-Publikationen wie Vice, Wired oder Newsweek. Zuvor studierte er Philosophie und war als Kriegsreporter für National Geographic unterwegs – wo er beim Rendezvous mit einer Landmine seinem heutigen politischen Widersacher, dem Tod, schon einmal sehr nahe gekommen ist. 

Doch all das war, bevor er zum Künder der kommenden Revolution wurde, die die Welt bald weit tiefgreifender umstürzen könnte als einst die Französische oder die Oktoberrevolution. Deshalb ist Istvan ob bisheriger politischer Mißerfolge – erst mit der von ihm 2014 gegründeten Transhumanist Party, seit 2017 mit der Libertarian Party – auch keineswegs geknickt. Denn er hat, so ist er sich sicher, die Zukunft auf seiner Seite. 

Nichts weniger wollen er und seine noch kleine, aber weltweit wachsende Zahl an Mitstreitern, als unsere Vorstellung von Technik und Mensch umzudrehen: Gilt letzterer uns heute im Naturzustand als rein und „perfekt“ und Prothesen und Implantate nur als Ersatz und Krücke für Alte und Kranke, lehrt der Transhumanismus das Gegenteil: Natur ist Mangelzustand, Technik Vollendung! Sie ist nichts, was erst zum Einsatz kommt, wenn Glieder, Organe oder Sinne versagen, sondern etwas, das uns von Geburt an ergänzt – uns von der natürlichen, sprich unvollkommenen Kreatur zu dem Wesen macht, das wir eigentlich sein sollten: Implantate, Prothesen und künstliche Organe schon für die Jüngsten und Gesunden! Damit wir schneller laufen, stärker zupacken, ja länger leben, Töne, Farben und überhaupt Reize wahrnehmen, die unsere natürlichen Sinne nie erfassen können. Und warum sollte all dies, so Istvan, nicht eines Tages auch zur Unsterblichkeit führen? Würden nur endlich all die Milliarden, die für Kriege ausgegeben werden, konsequent in die transhumanistische Forschung investiert!

Paradies? Alptraum? Diese Frage könnte sich früher oder später auch uns in Deutschland an der Wahlurne stellen.