© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Eine Stunde aneinander vorbei
Christian Vollradt

Besuchergruppen sind etwas Alltägliches im Reichstag. Doch diese eine, die am Montag mittag zum Sitzungssaal E 400 des Paul-Löbe-Hauses strebte, war anders. Sie kam nicht auf Einladung eines Abgeordneten, sondern zur moralischen Unterstützung zweier ebenfalls als Gäste Anwesenden: Vera Lengsfeld und Henryk M. Broder. Die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und der Publizist waren als Mitverfasser der „Erklärung 2018“ zur öffentlichen Anhörung des Petitionsausschusses geladen, nachdem ihre Eingabe mit der Forderung nach effektivem Schutz der Grenzen mit über 65.000 Unterstützern das notwendige Quorum erreicht hatte. Nun sollte die Hauptpetentin Lengsfeld mit Broder als ihrem sogenannten Beistand ebenso wie der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. 

Ihr Anliegen, so betonte die einstige DDR-Bürgerrechtlerin, richte sich nicht gegen Flüchtlinge, sondern illegale Migration. Broder nannte das Asylrecht „eines der besten Gesetze in Deutschland“. Als der Ausschußvorsitzende Marian Wendt (CDU) ihn auf die abgelaufene Redezeit hinweist, fragt er schelmisch: „Geben Sie mir noch eine halbe Minute – aufgrund meines Migrationshintergrunds?“ Doch der Politiker aus Sachsen bleibt hart. „Nein, Herr Broder, wir sind doch hier für Ordnung und Steuerung“ gibt er ebenso schmunzelnd zurück.

Ansonsten blieb es überwiegend beim Aneinandervorbeireden. Unionspolitiker äußerten Verständnis, betonten aber, seit 2015 sei vieles verbessert worden. Die AfD bestritt dies. Die SPD pochte darauf, die Flüchtlingspolitik erfolge nach Recht und Gesetz. Da wurde auf der Zuschauertribüne auffallend gehustet, was eine Ermahnung durch den Ausschußvorsitzenden nach sich zog. Auf die Frage von Abgeordneten, wie sie sich denn eine lückenlose Kontrolle der deutschen Grenzen vorstelle, entgegnete Lengsfeld: Man solle die Bundespolizei einfach ihren Job machen lassen, so wie vorher auch. Im übrigen, ergänzte ihr Mitstreiter Broder, sei es ja nicht ihre Aufgabe, Lösungen zu präsentieren. „Dafür sind Sie als Politiker zuständig“, mahnte er an. Um danach Karl Kraus zu zitieren: „Ich bin kein Huhn, aber trotzdem merke ich, ob ein Ei faul ist.“ 

Nach Ende der Sitzung versammeln sich die Unterstützer noch eine Weile um die Hauptpetentin und ihren prominenten Beistand. Schulterklopfen, Händeschütteln, es wird applaudiert, dann weisen Bundestagspolizisten mit sanftem Nachdruck darauf hin, daß der Anlaß für den Einlaß ins Hohe Haus nunmehr vorbei sei. Vera Lengsfeld zeigte sich enttäuscht vom Verlauf der Anhörung. Man sei „überhaupt nicht auf unsere Argumente eingegangen“, monierte die Petentin im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Die festgelegten Zeitvorgaben bei Fragen und Antworten hätten dazu geführt, daß eine echte Debatte gar nicht stattfinden konnte, resümiert Broder.

Der Ausschuß wird nun intern weiter beraten, sobald die Berichterstatter – einer davon der AfD-Abgeordnete Johannes Huber – ihre schriftlichen Stellungnahmen verfaßt haben werden.