© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Mit dem Herzen für die Demokratie
Jubiläum: Peter Gauweiler gratuliert dem Staats- und Völkerrechtler Dietrich Murswiek zum 70. Geburtstag
Peter Gauweiler

Der Wissenschaftler, der mit dem Herzen bei der Sache ist“, so beschrieb der Journalist Wolfgang Janisch Dietrich Murswiek in einem Porträt unter dem Titel „Der Standfeste“, erschienen in der Süddeutschen Zeitung. Janisch zeichnete in diesem Beitrag aus dem Jahr 2012 das Bild eines außerordentlich klugen juristischen Kopfes, der aus Überzeugung argumentiert und handelt – stets höflich, aber deshalb nicht weniger beharrlich.  Das Porträt in der Süddeutschen erschien vor sechs Jahren kurz vor dem 64. Geburtstags des Jubilars. Heute, zu seinem 70. Geburtstag, habe ich die Ehre, ihm auf diesem Wege zu gratulieren. 

Mehr als zwei Jahrzehnte im Kampf verbunden

Dietrich Murswiek wurde 1948 in Hamburg geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und einer Promotion in Heidelberg wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Dort habilitierte er sich im Jahr 1984 und erhielt die Lehrbefugnis für Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Völkerrecht. 

Seit Mitte der 1980er Jahre berät er Bundestagsabgeordnete der Unionsfraktion in staats- und völkerrechtlichen Fragen. Doch auch für andere Parteien verfaßte er Rechtsgutachten und übernahm Prozeßvertretungen, darunter auch Grüne und Linke.

Von 1986 bis 1990 war er Professor für Öffentliches Recht und Forstrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen, von 1990 bis zur Emeritierung 2016 Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. In seiner Abschiedsvorlesung unter dem Titel „Paradoxa der Demokratie. Über Volkssouveränität und Normbindung“ stellte Murswiek die These auf, daß „es rechtliche Bindungen der Staatsgewalt gibt, die notwendige Bedingungen der Demokratie sind“, und hinterfragte die Behauptung, daß normative Bindungen der demokratisch legitimierten Staatsorgane in einem Spannungsverhältnis zur Demokratie stehen und als deren Korrektive und Begrenzungen verstanden werden müssen. Er führte aus, daß die Einhaltung der vereinbarten Regeln für die demokratische Legitimation in einem Mehrebenensystem wie dem Staatenverbund der Europäischen Union besonders wichtig sei. Gleichzeitig bemängelt er eine „Wurstigkeit im Umgang mit Normen (…) auf EU-Ebene“ und die rechtswidrigen und undemokratischen Kompetenzüberschreitungen von Organen der Europäischen Union. Diese, so Murswiek, seien nicht nur politisch von Belang, sondern auch rechtlich. 

Damit sprach Dietrich Murswiek ein Thema an, das uns seit mehr als zwei Jahrzehnten verbindet: der Kampf gegen die Aushöhlung der Demokratie, sowohl auf nationaler als auch auf Ebene der Europäischen Union. 

2007 formulierte er einen Antrag gegen den Tornado-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Als Bundestagsabgeordneter hatte ich damals gemeinsam mit dem früheren Verteidigungsstaatssekretär Willy Wimmer gegen den Einsatz geklagt. 2009 dann die Lissabon-Klage, bei der Professor Murswiek mich anwaltlich vertrat und wir gemeinsam einen Teilerfolg erringen konnten, 2011 die Beschwerde gegen den ersten, vorläufigen Euro-Rettungsschirm, EFSF genannt. Es folgten weitere gemeinsame juristische Auseinandersetzungen, darunter auch die noch laufende Klage gegen das QE-Programm der Europäischen Zentralbank, in dessen Rahmen die EZB Staatsanleihen aufkauft und so die sogenannte Geldbasis, also die Geldmenge, erhöht: ein Programm, das weder mit den europäischen Unionsverträgen noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist und gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung sowie gegen das Demokratiegebot unseres Grundgesetzes verstößt.

Sein Einsatz für das Recht ist noch lange nicht vorbei

Der Einsatz für Demokratie, insbesondere auch auf europäischer Ebene, bestimmt weiter die Arbeit Dietrich Murswieks. Jüngst erschien ein Aufsatz von ihm unter dem Titel „Die Mehrebenendemokratie in Europa. Ein Ding der Unmöglichkeit?“ im Sammelband „Die Zukunft der Demokratie. Kritik und Plädoyer“. Darin übt er Fundamentalkritik an den Demokratiedefiziten der Europäischen Union und macht Vorschläge zu ihrer Überwindung.

Professor Murswiek mag seinen Lehrauftrag an der Universität in Freiburg beendet haben. Doch seine Arbeit für das Recht ist noch lange nicht vorbei. Eine Aufgabe, bei der man mit dem Herzen dabei ist, endet nie. 

Zu seinem 70. Geburtstag am 11. Oktober wünsche ich meinem verehrten Ratgeber und juristischen Wegbegleiter alles erdenklich Gute.






Dr. Peter Gauweiler, 71, war bayerischer Staatsminister, Abgeordneter des Deutschen Bundes-tages und kurzzeitig CSU-Vizechef.





Urteile, die Geschichte schrieben

Zu den spektakulärsten Urteilen, die Dietrich Murswiek als Prozeßbevollmächtigter Peter Gauweilers erstritt, gehört das gegen den Lissabon-Vertrag, der 2009 die zuvor an Volksabstimmungen in Frankreich und Holland gescheiterte „EU-Verfassung“ ersetzt hat. Zwar gelang es nicht, „Lissabon“ zu verhindern, doch in wesentlichen Teilen zu ändern. In seiner Ursprungsfassung hätte der Vertag die Aufhebung der Souveränität der Nationalstaaten in der EU endgültig eingeleitet. Das Urteil enthüllte zudem, daß der Bundestag seiner Kontrollfunktion nicht gerecht geworden war und „Lissabon“ in einer nicht grundgesetzkonformen Fassung hatte passieren lassen. Mitten in der Sommerpause mußte das Parlament in einer Sondersitzung die von Murswiek und Gauweiler erstrittenen Nachbesserungen beschließen. 

Von nicht geringerer Bedeutung war die von Murswiek verfaßte Klage gegen die Euro-Rettung, um eine Transferunion zu verhindern – die durch die Hintertür zu einer schleichenden Entstaatlichung der EU-Mitgliedsländer führt. 2011 gelang es Gauweiler und Murswiek, das Bundesverfassungsgericht zu einer entscheidenden Grenzziehung zu bewegen, nach der der Bundestag seine zentrale Budgethoheit nicht an die EU abgeben darf.

Mehr zu den verschiedenen Verfassungsklagen Murswieks findet sich auf  www.dietrich-murswiek.de