© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Gipfel der harten Worte
Diskussion: Thilo Sarrazin attestiert Phase der Unordnung
Thorsten Brückner

Ein Feedback von Angela Merkel hat Thilo Sarrazin für sein neues Buch „Feindliche Übernahme“ nicht bekommen. „Diesmal hat es Regierungssprecher Steffen Seibert vermieden, mein Buch in der Bundespressekonferenz zu diskutieren. Das ist ein Fortschritt“, sagte Sarrazin bei einer Podiumsdiskussion des Schweizer Magazins Weltwoche am Tag der Deutschen Einheit in Berlin. Ein Seitenhieb auf die Bundeskanzlerin, die vor acht Jahren seinen Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ als „diffamierend“ und „nicht hilfreich“ abgekanzelt hatte. Zum „Gipfel der freien Rede“ hatte Chefredakteur Roger Köppel den Abend mit Sarrazin erklärt. 

Vor den seinen Thesen überwiegend wohlgesonnenen rund 600 Besuchern referierte Sarrazin die Eckpunkte seines Buches. „Deutschland braucht dieses Werk so dringend wie einen Ebola-Ausbruch“, hatte die Süddeutsche Zeitung die Publikation zusammengefaßt. Den Schweizer Köppel verwunderte denn auch vor allem der „verkrampfte Umgang“ damit in deutschen Medien. Kritiker werfen Sarrazin einen allzu holzschnittartigen Umgang bei der Koran-Exegese vor. Er nehme den Text wörtlich, weil dies auch die große Mehrheit der gläubigen Muslime tue, konterte er. „Der Islam ist eine Gewaltideologie. Liebe und Barmherzigkeit erstrecken sich im Koran nur auf die Gläubigen.“ Und: „Der im Koran vermittelte Haß auf die Ungläubigen verleiht dem Islam seine expansive Eroberungskraft.“ 

Ob denn nicht angesichts vieler Ungeuerlichkeiten, die auch in der Bibel stünden, die wörtliche Methode bei der Koran-Auslegung die falsche sei, hakte Köppel nach. Sarrazin wich aus. Er lebe nicht im 16. Jahrhundert, sonst hätte er vielleicht auch ein Buch über die Inquisition geschrieben. Sarrazins Prognose: „In 40 bis 60 Jahren wird es überall in Europa muslimische Mehrheiten geben.“ Verhindern könne dies nur ein Einwanderungsstopp für Menschen aus islamischen Ländern und ein höherer Anpassungsdruck für Muslime. Bundeskanzlerin Merkel habe dagegen „von der Wirklichkeit Abschied genommen“. Deutschland sieht Sarrazin auch deshalb in einer „Phase umbruchartiger geistiger Unordnung“. Merkel werde sich dennoch bis 2021 im Kanzleramt halten können, prophezeite er.