© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

„Feigheit, Ignoranz und Verblendung“
Der Ex-Polizist Stefan Schubert sieht uns in seinem Bestseller „Die Destabilisierung Deutschlands“ auf dem Weg in den Abgrund
Moritz Schwarz

Herr Schubert, wer „destabilisiert“ Deutschland?

Stefan Schubert: Politiker, deren verantwortungslose Entscheidungen langfristig unser Gemeinwesen ruinieren. Medien, die manipulieren, statt aufzuklären. Öffentliche Institutionen, die sich lieber dem Zeitgeist ergeben, statt ihre gesellschaftliche Funktion wahrzunehmen. Und schließlich die Lobbyisten sozialer Gruppen, die ihre Interessen über die der Gesellschaft stellen.   

Bei „Destabilisierung“ assoziiert man Zusammenbruch. Ist das nicht übertrieben?

Schubert: Das habe ich mich anfangs auch gefragt. Aber schlägt man das Wort nach, findet sich: „instabil machen, der Stabilität berauben“. Das trifft es sehr gut! 

Unterstellen Sie, daß diese Destabilisierung gezielt betrieben wird? 

Schubert: Nein, ich sehe keine große Verschwörung am Werk. Was ich sehe, sind Akteure mit ganz unterschiedlichen Motiven. Der eine scheut notwendige, aber unpopuläre Entscheidungen, weil er sich nicht mit den Medien anlegen will. Der andere lebt in einer Blase und kennt den Ernst der Lage gar nicht. Wieder andere verfolgen ideologische Ziele und sind daher für die Konsequenzen blind. Und manchen interessieren diese schlicht auch nicht, etwa weil sie ihn in seiner Amtszeit nicht mehr ereilen. Es ist eine Mischung aus Ignoranz, Verantwortungslosigkeit, Feigheit, Opportunismus und ideologischer Verblendung. 

Worin besteht diese Destabilisierung?

Schubert: Vor allem darin, daß sich die Sicherheitslage drastisch verschärft hat. Ich erinnere an die allgegenwärtige „Refugees-Welcome“-Kampagne des Mainstreams zu Beginn der Flüchtlingskrise und daran, daß statt der angekündigten Frauen, Kinder und Fachkräfte vornehmlich muslimische Männer aus Kriegsgebieten einwanderten, die von 2015 bis 2017, also in nur drei Jahren, 855.000 Straftaten verübt haben. Die Zahl stammt übrigens vom BKA und wird in meinem Buch mit Quellen belegt. Am augenfälligsten ist aber vielleicht der Einzug des Terrorismus. Polizisten in Panzerwesten, Betonsperren und Anti-Terror-Kontrollen bei Festen gehören in unseren Großstädten schon zum Alltag. Dazu kommt die ausufernde Straßenkriminalität, der die Polizei nicht mehr beikommt, wuchernde Clankriminalität, ethnische und religiöse Auseinandersetzungen, wie wir sie in Deutschland zuvor nicht kannten, islamischer Fundamentalismus und eine Radikalisierung der politischen Ränder, gewalttätige Demonstrationen mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen wie beim G20, neue Formen der Gewalt gegen Frauen, wie den Sex-Mob, Einbrüche, Diebstahl, Angriffe auf Polizei, Verwaltung, ja sogar Rettungskräfte und Ärzte und eine Ausbreitung der No-go-Areas. Dazu die Verwahrlosung und Chaos an den Schulen und Brandbriefe, die in immer kürzeren Abständen die Öffentlichkeit erreichen. Eine kaputtgesparte Polizei, die immer weniger Respekt genießt und die Gefahr ihrer mafiösen oder ethnischen Unterwanderung, Abbau unserer Freiheitsrechte, Preisgabe kultureller Werte, Überlastung der Justiz, eine astronomische Überschuldung, überforderte Sozialsysteme, deren Ausfall eines Tages zu unerwartet dramatischen Folgen führen könnte, Erosion des Vertrauens in Staat und Demokratie, weil die Parteien sich unfähig oder unwillig zeigen, die Probleme zu lösen etc. etc. All das und noch viel mehr führt zu einer Erosion der Stabilität, wie wir sie in Deutschland lange Jahre als eines der höchsten gesellschaftlichen Güter genossen haben und die Deutschland zu einem der wenigen Länder weltweit gemacht hat, in denen es in puncto Sicherheit weitgehend keine existentielle Bedrohung mehr gab. Diese Zeiten sind nun vorbei.

Betreiben Sie nicht Angstmacherei?

Schubert: Im Gegenteil, das Schlimme ist, daß wir bei vielen dieser fatalen Entwicklungen sogar erst am Anfang stehen.

Der Mehrwert Ihres Buches besteht in der Zusammenfassung etlicher bekannter Zustände in einer These: nämlich, daß es sich eben nicht nur um eine Vielzahl Einzelprobleme handele, sondern um ein Abrutschen der Gesellschaft insgesamt – mit im Grunde einer Ursache: Elitenversagen.  

Schubert: In der Tat. Eigentlich wäre so eine Diagnose Aufgabe unserer Medien. Die das aber nicht leisten, weil sie eng mit der Politik in Beziehung stehen. Denken Sie etwa daran, daß die mächtigsten Frauen hier, Friede Springer oder Liz Mohn, Freundinnen der Kanzlerin sind. Kein Wunder, daß sich in der Presse keine Gesamtanalyse der Lage findet.   

Ihr Buch ist jedoch auch keine Analyse, sondern eine Anklage. Ist das seriös?

Schubert: Ja, natürlich. Und ich widerspreche Ihnen: Sehr wohl ist es analytisch. Ich durchleuchte einzelne Bereiche, zeige Hintergründe und politische Einflußnahme auf und schildere die Auswirkungen anhand konkreter Vorkommnisse. Nehmen Sie etwa mein Kapitel zum Zustand unserer Justiz!     

Was irritiert, ist Ihr hochtouriger Tonfall: „schmerzhafter Knochenbruch“, „grausamste Verletzung“, „bestialischer Mord“, „schwerstes Trauma“. Sind Mord, Trauma, Knochenbruch etc. nicht schlimm genug? Warum die Effekthascherei?   

Schubert: Also ich finde die geschilderten Fälle tatsächlich grausam und bestialisch. Wenn Sie wie ich als Polizist mal einen Erschlagenen gesehen hätten – der Kopf eingedrückt, Teile des Schädels abgesplittert –, wüßten Sie, wovon ich rede.

In einem eigenen Kapitel durchleuchten Sie den Fall des Berliner Weihnachtsmarktattentäters Anis Amri.

Schubert: In bezug auf Amri haben sich mir mehrere Terrorermittler anvertraut, die direkt an Amri „dran“ waren. Der ganze Fall stellt sich komplett anders dar, als er von der Politik öffentlich verbreitet wird. So gab es keine „Pannenserie“, sondern der IS-Terrorist Amri wurde gezielt vor einer Festnahme beziehungsweise Abschiebung geschützt, um so die Daten seiner IS-Hintermänner und deren IS-Netzwerkes abzuschöpfen: Mobilnummern, durch die man GPS-Standortdaten gewinnen kann, Kontakte und Profil-Diagramme von IS-Mitgliedern in Deutschland, Italien, Frankreich, Libyen und Tunesien. Zu all diesen Erkenntnissen gelangten die Behörden durch die Überwachung von Anis Amri. Aus diesem Grund wurde er vorsätzlich auf freiem Fuß belassen, obwohl sogar bekannt war, daß er sich für Bombenbau interessierte, sich sogar als Selbstmordattentäter angeboten hatte. Die vollständige Rekonstruktion dieses Vorgangs bildet das Rückgrat des Amri-Kapitels im Buch. Das Ergebnis jedenfalls war, daß im Dezember 2016 elf Menschen auf dem Berliner Weihnachtsmarkt von einem von ihm gelenkten Lkw überrollt oder zerquetscht wurden, nachdem er den polnischen Fahrer erschossen hatte, und siebzig Menschen zum Teil schwere Verletzungen erlitten. 

Sie sagen, dahinter stecke die CIA.

Schubert: Ja, denn spätestens im Februar 2016 war der Erkenntnisstand so eindeutig, daß Amri hätte festgenommen werden müssen. Das geschah aber nicht, weil er bereits in Italien ab 2015 den Geheimdiensten wie beschrieben als eine Art Lockvogel diente. Und alle Hinweise und Indizien weisen dabei in Richtung CIA. Seit seiner Haftentlassung aus italienischer Abschiebehaft war aktenkundig, daß Amri vom italienischen und damit wahrscheinlich auch vom amerikanischen Geheimdienst überwacht wurde.   

Angenommen, das stimmt – ist es nicht vernünftig, die Hintermänner zu jagen? 

Schubert: An sich schon. Nur hat das in Berlin zwölf Menschen das Leben gekostet. Aber, wie sagte mir einer der Terrorermittler, den ich für mein Buch befragt habe: „Den Amis sind ein Dutzend tote Deutsche egal.“ Dabei richtet sich mein Vorwurf in erster Linie nicht gegen die USA, sondern gegen die deutsche Politik, der es offenbar wichtiger war, dem US-Wunsch zu entsprechen, als Gesundheit und Leben der eigenen Bürger zu schützen. 

All das bleibt aber nur eine These. Einen Beweis bleiben Sie im Buch schuldig.

Schubert: Die dort geschilderten Fakten sprechen für sich. Vier Wochen nach dem Anschlag flog die US-Luftwaffe erfolgreiche Angriffe auf zwei IS-Terrorcamps in Libyen südlich von Sirte. Und zwar auf Grundlage der Meta-Daten, die zuvor bei Amri abgeschöpft wurden, der mit zwei IS-Kadern dort in Kontakt gestanden hatte: Für mich der Beweis, worum es im Fall Amri wirklich ging. 

Maximal ein Indizienbeweis. 

Schubert: Das ist richtig, was aber nichts an der Schlußfolgerung ändert, daß Politik und Behörden in geradezu krimineller Weise Amri vor einer Festnahme schützten und damit die Öffentlichkeit einer tödlichen Gefahr ausgeliefert haben. Am Ende meines Buches zitiere ich noch einmal einen Ermittler, der mir gegenüber ausgepackt hat: „Die federführenden Behörden sind an den Toten von Berlin mitschuldig ... die Politiker haben sich der Beihilfe zum Mord durch Unterlassung schuldig gemacht.“

Das Buch legt nahe, die These stamme von Ihnen. Das allerdings stimmt gar nicht. 

Schubert: Das Buch legt das in keiner Weise nahe, im Gegenteil, ich verweise zum Beispiel, was den Zusammenhang mit dem US-Luftangriff angeht, ausdrücklich auf einen Artikel von Stefan Aust. Auch wenn der, anders als ich, nicht wörtlich von der CIA spricht, sondern von einer „internationalen Geheimdienstoperation“. Ja, es ist mir sogar wichtig, auf Aust hinzuweisen, um dem Vorwurf entgegenzuwirken, ich verbreitete eine Verschwörungstheorie. Übrigens auch der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, zuletzt das dienstälteste Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, spricht von der „unsichtbaren Hand eines US-Dienstes“, die offenbar über Amri gehalten worden ist. 

Aber auch das sind keine Beweise. Wir kennen auch von anderen Terrorakten fast unvorstellbare Versäumnisse im Vorfeld. Das war schon beim ersten Attentat auf das Welthandelszentrum 1993 so.   

Schubert: Da haben Sie recht und genau diesen Fall, den Bombenanschlag auf das World-Trade-Center von 1993, habe ich genau studiert. Aber im Fall Amri deuten die Indizien eindeutig nicht auf ein Versagen, sondern sogar auf ein Ausbremsen der Terrorermittler hin. Etwas, was mein Buch exklusiv zu bieten hat, ist die Enthüllung der Existenz eines vierzehnseitigen Antrages auf Untersuchungshaft, den Ermittler gegen Amri schrieben. Zum großen Erstaunen der Beamten wurde er aber nicht vollstreckt, sondern bis heute totgeschwiegen, was die Ermittler fast hat verzweifeln lassen. 

Jedoch präsentieren Sie weder deren Namen noch Dokumente, die das belegen. 

Schubert: Meine Informanten muß ich schützen, und im Nachrichtendienstmilieu einen schriftlichen Beweis zu finden, ist meist unmöglich. Allerdings haben außer Aust, mir und Ströbele auch US-Medien diesen Schluß schon gezogen. Das Seltsame ist, daß sich unsere Medien dennoch in dieser Hinsicht taub stellen! Deshalb halte ich mein Buch auch für so wichtig – weil es das, was die meisten Medien nicht zu diskutieren willens sind, erneut auf den Tisch bringt! 

Angenommen, die These träfe zu, wer wäre dann Ihrer Meinung nach verantwortlich?

Schubert: Für direkt verantwortlich halte ich den Bundesverfassungsschutz, den damaligen NRW-Innenminister und den Berliner Innensenator. 

Also: Hans-Georg Maaßen, Ralf Jäger von der SPD und CDU-Mann Frank Henkel.

Schubert: Ja, ich meine, daß ihre Ämter den Fall Amri in die von oben gewünschten Bahnen gelenkt haben. 

„Von oben gelenkt“ – also wer noch? 

Schubert: Das Bundesamt für Verfassungsschutz untersteht dem Bundesinnenminister – das war damals Thomas de Maizière – und der wiederum der Kanzlerin mit ihrem Geheimdienstkoordinator Peter Altmaier. Die entscheidende Frage ist doch, woher kommt diese Vorgabe, daß US-Wünsche vor den Sicherheitsinteressen der eigenen Bürger rangieren? Wer hat dies politisch durchgesetzt und zu verantworten? 

Was, wenn Sie sich irren? 

Schubert: Das glaube ich nicht. Zudem haben die Enthüllungen der letzten Tage und Wochen, die aufgeflogenen V-Männer des Bundesamtes für Verfassungsschutz und die publik gewordene Verabredung zu Vertuschungen dieser Hintergründe durch das Amt und den Berliner Innensenator, die Kernthese meines Buches untermauert. Anis Amri war kein reiner „Polizeifall“, wie behauptet, sondern die dominante Rolle der Geheimdienste wird immer sichtbarer. Und auch die von mir im Buch beschriebene Destabilisierung Deutschlands durch den Verlust der Sicherheit bleibt leider ein Fakt. Wenn es die Politik weiterhin versäumt, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, werden nach und nach Zustände Einzug halten, die wir uns heute noch kaum vorstellen können und die uns das Fürchten lehren werden. 







Stefan Schubert, der Bestsellerautor, geboren 1970 in Bielefeld, war bis 1998 Beamter des Bundesgrenzschutzes und der Landespolizei NRW. Zu seinen bekanntesten Buchtiteln gehören „Gangland Deutschland“ (2014),  „No-go-Areas“ (2016) sowie die Bestseller „Gewalt ist eine Lösung. Morgens Polizist, abends Hooligan – mein geheimes Doppelleben“ (2010) und „Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten“ (2012). 2015 veröffentlichte er den Roman „Der Konvertit“ und 2017 mit Udo Ulfkotte „Grenzenlos kriminell“. Jüngst erschienen: „Die Destabilisierung Deutschlands. Der Verlust der inneren und äußeren Sicherheit“, das seit acht Wochen in der Sachbuch-Bestsellerliste rangiert.  

Foto: Islamist Anis Amri, Terroranschlag in Berlin 2016: „855.000 Straftaten in nur drei Jahren ... Das Schlimme ist, daß wir bei vielen dieser fatalen Entwicklungen sogar erst am Anfang stehen“ 

 

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