© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

Zwischen Israelhassern und Linksextremisten
#unteilbar: Die Demonstration in Berlin wird überschattet von offenen Gewaltaufrufen und antisemitischen Äußerungen
Björn Harms

Das mediale Echo auf die #unteilbar-Demonstration in Berlin fiel eindeutig aus: „Mega-Demo in unerwarteter Dimension“, konstatierte der Merkur, während die Zeit jubelte: „Die Sammlungsbewegung ist da.“ Tatsächlich hätte der Zuspruch für die Veranstaltung, bei der ursprünglich mit „nur“ rund 40.000 Teilnehmern gerechnet worden war, kaum größer sein können. Zeitweise erstreckte sich der Demonstrationszug vom Alexanderplatz bis hin zum Großen Stern, immerhin eine Strecke von rund sechs Kilometern. Rund 150.000 Teilnehmer zählte die Polizei im nachhinein, die Veranstalter sprachen gar von 240.000 Personen, die sich bei schönstem Oktoberwetter auf die Straßen der Hauptstadt begeben hatten, um gegen den vermeintlichen Rechtsruck in Deutschland zu demonstrieren.

Ein voller Erfolg also? Das liegt wohl im Auge des Betrachters. Denn das Motto „Solidarität statt Ausgrenzung“ galt am Samstag nicht nur für den durchschnittlichen SPD-Wähler, sondern auch für Linksextremisten, Anhänger der terroristischen PKK und reaktionäre Islamverbände (JF 40/18).

So tauchten bereits am Samstag abend Videos von einem Umzugswagen der teilnehmenden „Antifa Nordost“ in den sozialen Netzwerken auf, von dem offene Gewaltaufrufe ausgingen: „Es ist wichtig, daß wir eben nicht friedlich sind, sondern diesen Verhältnissen, dieser Gesellschaft den Kampf ansagen und solche Schweine wie Seehofer und Merkel aus dem Amt jagen“, brüllte ein junger Mann per Lautsprecher den Passanten entgegen. „Weg mit dem Verbot der PKK“, forderte er anschließend. „Unterstützt die kurdischen Genossen.“ Im Block des Internationalistischen Bündnisses wurden dazu Symbole der antisemitischen Terrororganisation PFLP gezeigt und die Freilassung verschiedener militanter Funktionäre gefordert. 

Teilnehmer berichten von Drohungen der Antifa

Zudem sprachen dort Anhänger der israelfeindlichen BDS-Bewegung, welche die einzige Demokratie im Nahen Osten als faschistisches Regime verunglimpften und eine „Befreiung von ganz Palästina 48“ forderten – eine klare Leugnung des Existenzrechts des 1948 gegründeten Staates Israel. Die Veranstalter von #unteilbar distanzierten sich zwar umgehend. Ob derartige Organisationen künftig im Vorfeld ausgeschlossen werden, blieb jedoch unbeantwortet.

Ein weiterer Teilnehmer berichtete von mehrmaligen Drohungen Linksextremer, die ihn aufforderten, seine mitgebrachte schwarzrotgoldene Fahne zu entfernen. Seine Rechtfertigung, die Deutschland-Fahne stehe doch gerade für Einigkeit, Recht und Freiheit, sei nicht akzeptiert worden. Die Organisatoren von #unteilbar wollten auf den konkreten Vorfall nicht weiter eingehen und teilten kurz und bündig mit: „Die deutsche Nationalfahne war von Anfang an nicht Symbol unserer Veranstaltung.“ Ein grundsätzliches Fahnenverbot habe es aber nicht gegeben. „Deswegen waren beispielsweise die Regenbogen-Fahne, Gewerkschaftsfahnen oder Refugees-Welcome-Fahnen willkommener als die Nationalflagge.“ Die palästinensische Fahne jedenfalls war auf Bildern häufiger zu sehen und sorgte für keinerlei Irritationen – genau wie Banner mit dem Konterfei des ehemaligen PKK-Anführers Abdullah Öcalan und der linksradikalen MLPD.

Kein Wunder also, daß sich im Vorfeld auch viele Bürgerliche distanzierten. So wies die Berliner CDU eine Unterstützung der Demonstration entschieden zurück. Schließlich sei der Anmelder Lukas Theume ein Anwalt der „Roten Hilfe e.V.“, einer Organisation, die „linksextremistische Verbrecher“ unterstütze. Zudem werde die Aktion „von vielen anderen dubiosen Organisationen“ mitgetragen. 

Die Teilnahme einer dieser dubiosen Gruppierungen, des Zentralrats der Muslime, sorgte auch bei liberalen Islamverbänden für Kritik. Seyran Ates etwa, Gründerin der Berliner liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, fand es „sehr irritierend“, daß die Organisatoren von #unteilbar die Verflechtungen des Zentralrats mit islamistischen und rechtsextremen Gruppen nicht störe. „Es ist eine sehr naive Idee von Toleranz, wenn man mit Leuten auf die Straße geht, die keine Toleranz wollen.“

Derweil kam es aufgrund der Veranstaltung auch bei der Linkspartei zu innerparteilichen Zerwürfnissen. Sahra Wagenknecht wagte es im Vorfeld, das Prinzip der offenen Grenzen zu kritisieren, und schloß eine Beteiligung am Protest aus. „Es gibt auch viele Menschen, die sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wehren wollen, und zugleich eine Regulierung der Migration für unerläßlich halten“, rechtfertigte Wagenknecht ihr Fernbleiben.

Plakate gegen Sahra Wagenknecht gezeigt

„Sahra Wagenknecht sollte einfach mal die Klappe halten“, befand daraufhin ihr Parteigenosse, der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich. Auch auf der Demo tauchten immer wieder Plakate gegen Wagenknecht auf: „Aufstehen? Sitzenbleiben!“, war dort zu lesen.

Was also bleibt übrig vom Protest? Vor allem, so scheint es, die schiere Masse. Denn wenn Linksextreme den Klassenkampf herbeisehnen, Terrorsympathisanten für die Unabhängigkeit Kurdistans kämpfen, Antisemiten das Existenzrecht Israels bezweifeln, Umweltschützer gegen Atomkraftwerke demonstrieren, Sozialverbände die Ungerichtigkeit von Hartz IV bemängeln, Vertreter von Mieterorganisationen bezahlbare Wohnungen einfordern, die Asyllobby Abschiebungen beklagt und alle irgendwie zusammen gegen die AfD sind, fragt man sich schon, worauf das Bündnis eigentlich abzielt.