© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

Die Hoffnung schwingt mit
Hessen: Am 28. Oktober stellen sich zahlreiche Kleinparteien zur Wahl / Unter den Spitzenkandidaten ist auch ein Namensvetter des Ministerpräsidenten
Christian Schreiber

Zwei Wochen nach der Landtagwahl in Bayern sind auch die Hessen aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Zur Abstimmung am 28. Oktober wurden 413 Kreiswahlvorschläge zugelassen, es gibt 23 Landeslisten. Neben den sechs Parteien, die im Bundestag vertreten sind und die aller Voraussicht nach auch dem künftigen Parlament in Wiesbaden angehören werden, treten zahlreiche Listen an, denen es primär darum geht, die Ein-Prozent-Hürde zu überspringen, die zur Teilnahme an der Parteienfinanzierung berechtigt. Einige hoffen aber auch auf einen Überraschungserfolg.

„Als Sprachrohr der Bürger“ verstehen sich etwa die Freien Wähler. Gemessen an der Zahl der Mandatsträger in Kommunalparlamenten sind sie die drittstärkste Kraft in Hessen. In Wahlumfragen taucht das Kürzel „FW“ jedoch nur selten auf. Zuletzt sah eine Insa-Umfrage die „Freien“ bei 1,5 Prozent. 

Der hessische Landesvorsitzende und Spitzenkandidat Engin Eroglu setzt auf einen „Bayern-Effekt“. Dort übersprangen die Freien Wähler am vergangenen Sonntag abermals die Fünf-Prozent-Hürde und bescherten den Parteifreunden in Hessen damit Rückenwind: „Die mediale Aufmerksamkeit wird uns sicher helfen“, sagt Eroglu, der eine Überraschung vorhersagt und glaubt, „daß wir am Wahlabend auf 6,5 Prozent kommen werden.“

Auch eine Migrantenpartei buhlt um die Wählergunst

Weitaus größere Brötchen will die „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ – kurz die Partei – um den Satiriker und Europaabgeordneten Martin Sonneborn backen. Für „die extreme Mitte“ zähle nur die absolute Mehrheit, sagt Sonneborn und hofft auf einen Verwechslungseffekt. Spitzenkandidat ist mit dem Grafiker Marco Bouffier ein Namensvetter des derzeitigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU). Sonneborn glaubt, „daß die Leute schon den Richtigen wählen.“ Die Partei fordert unter anderem „unterirdische Windkraftanlagen“, eine Wasserrutschen-Trasse für Pendler aus dem Taunus nach Frankfurt und Kurse in Rechtskunde für Bayern, die nach Hessen ziehen wollen.

Für eine solide Mittelstandspolitik und als „seriöse Alternative“ zur AfD versuchen sich die Liberal-Konservativen-Reformer zu präsentieren, die vor drei Jahren vom früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke gegründet wurden, bei Wahlen allerdings erfolglos blieben.  Auf der zehnköpfigen Landesliste finde sich auch keine Namen mehr, die aus der AfD-Gründerzeit bekannt sein könnten. „Es geht darum Flagge zu zeigen und dem Wähler zu verdeutlichen, daß es uns noch gibt“, erklärt die Spitzenkandidatin Stephanie Tsomakaeva.

Als äußerst langlebig erweist sich die schon zweimal vom Verbot bedrohte NPD, die ihren Landesvorsitzenden Daniel Lachmann ins Rennen schickt: „Selbstverständlich wäre eine NPD-Fraktion im Landtag wünschenswert und die beste Option, aber man sollte sich zunächst realistischere Ziele, wie die Beibehaltung der Wahlkampfkostenrückerstattung setzen, die natürlich wiederum kein Selbstweck ist“, sagt Lachmann, der die AfD als „Nicht-Alternative“ und „Mogelpackung“ bezeichnet. 

Quasi das Gegenstück zur rechten NPD ist die Migrantenpartei Allianz Deutscher Demokraten, die 1 .500 Mitglieder hat und sich an türkischstämmige Einwanderer richtet. Experten sehen eine Nähe zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dessen AKP. Sie fordert die doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Migrantenkinder und ein kommunales Wahlrecht für ausländische Staatsbürger und Staatenlose. 

Als Dauerbrenner im Einsatz sind die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die Grauen Panther, die Tierschutzpartei sowie die Bürgerrechtsbewegung Solidarität, die sich teilweise seit Jahrzehnten ohne große Erfolgsaussichten um Stimmen bemühen. Mit dem „Bündnis C – Christen für Deutschland“ kandidiert auch eine Partei, die sich explizit um christliche Wähler bemüht. „Wir sind von der Überzeugung angetrieben, daß es gut ist, wenn Christen sich politisch konstruktiv in unsere Gesellschaft einbringen. In den etablierten Parteien ist es kaum möglich, aus christlich-biblischen Werten heraus politische Konzepte zu entwickeln“, teilt die Partei mit, die die Hessen-Wahl als Testlauf sieht, „um bei der Europawahl ohne Sperrklausel einen Vertreter nach Straßburg zu entsenden.“

Auch eine der jüngeren politischen Organisationen, die 2015 gegründete Partei für Gesundheitsforschung, dürfte sich am 28. Oktober kaum Chancen ausrechnen. Ihr Hauptanliegen ist die Erforschung von Alterskrankheiten wie Krebs, Alzheimer, Diabetes und Parkinson. Dafür soll in Hessen ein Prozent des Landeshaushaltes in diese Forschung investiert werden, fordert die Partei.