© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der „Schandi“ wird blau
Paul Rosen

Im Bundestag bahnt sich eine kleine Sensation an. Nein, es werden nicht die Steuern gesenkt, und es wird auch nicht beschlossen, die Grenzen stärker zu bewachen. Sondern die Sicherheit im Bundestag wird deutlich sichtbarer werden: Die bisher nur in Zivil auftretende Polizei des Parlaments (JF 28/18) wird uniformiert. 

Außerhalb von Sicherheitskreisen ist kaum bekannt, daß es in Deutschland neben Bundespolizei und Länderpolizeien eine weitere, selbständige Polizeieinheit gibt: die Polizei des Deutschen Bundestages. Zu ihr gehören etwa 200 Beamte. Ihr oberster Dienstherr ist nicht der Berliner Innensenator oder der Bundesinnenminister, sondern Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). 

Daß es eine Polizei des Bundestages gibt, hat historische Gründe: Nach den Erfahrungen der NS-Zeit wollten die Abgeordneten in der jungen Bundesrepublik keine Uniformierten, die einer Regierung unterstellt waren, im Bonner Parlament sehen. Die nordrhein-westfälische Polizei schied damit aus. Eine Bundespolizei gab es damals nicht; der Vorgänger Bundesgrenzschutz hatte zu der Zeit noch militärische Strukturen und kam deshalb nicht in Frage. So wurde eine eigene Bundestagspolizei aufgebaut, die sich von Ausbildung und Status gesehen nicht von anderen Polizeien unterscheidet. Ihr Einsatzgebiet waren und sind ausschließlich die Gebäude des Deutschen Bundestages. Bundestagspolizisten haben auch Waffen. Zum Schießtraining nutzen sie heute Einrichtungen der Berliner Polizei. Nur Uniformen – die hatten sie nie. 

Dabei hatte es an Versuchen der Uniformierung nicht gefehlt. Der langjährige Chef der Bonner Bundestagspolizei, Hans Merkel (JF 13/08), ein Bayer von echtem Schrot und Korn, hatte oft genug Vorstöße unternommen, seinen „Schandis“ (bairisch für Gendarmen) Uniformen zu verpassen; schließlich wollten die Beamten das auch selbst, pflegte er zu sagen. Doch Merkel, zuvor (bis 1983) Büroleiter von Bundestagspräsident Richard Stücklen (CSU), konnte sich nie durchsetzen. Zu stark waren damals noch die Vorbehalte. Doch die Zeiten ändern sich und die Menschen mit ihnen. Nun stellte ein Nachfolger von Merkel, der schon lange im Ruhestand ist, Uniformen für die Bundestagspolizei vor. Sie sind so dunkelblau wie die Uniformen der Bundespolizei, allerdings prangt der Bundestagsadler auf Mützen und auf Ärmeln. „Das verschafft Respekt, das fördert den Teamgeist“, betont Dieter Romann, Chef der Bundespolizei, bei der Vorstellung.

Am Alltag der Beamten wird die Uniformierung wenig ändern. Sie sind aber leichter erkennbar, wenn sie zum Beispiel die außerhalb der Gebäude eingesetzten Berliner Polizisten bei Kontrollen unterstützen. Zugriffe sind bei der Bundestagspolizei ohnehin sehr selten. Verhaftungen hat es tatsächlich mal gegeben. Wenn bei der Überprüfung der Daten von Besuchergruppen auffiel, daß gegen einen Besucher ein Haftbefehl vorlag, sorgte die Bundestagspolizei beim Eintreffen der Gäste für die Verhaftung. Schwerverbrecher waren das übrigens nie: Betroffen waren zumeist Männer, die sich vor ihren Unterhaltsverpflichtungen gedrückt hatten.