© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

Hier ist Europa und nicht Amerika
„The Movement“: Pünktlich zur Europawahl 2019 will die neue Bewegung Konservative, Rechte und EU-Skeptiker unter einem Dach vereinen
Björn Harms

Als Mischaël Modrikamen kürzlich der Times von seinem ersten Treffen mit Stephen Bannon berichtete, geriet er regelrecht ins Schwärmen. „Es war sofort klar: Wir teilen eine Vision. Darüber, was passieren soll und was getan werden muß“, beschrieb der Vorsitzende der belgischen Kleinpartei Parti Populaire die Zusammenkunft mit dem ehemaligen Chef-Strategen von US-Präsident Donald Trump. „Vom ersten Moment an war da dieser Funke.“

Bereits seit längerem suchte Modrikamen, in Belgien vor allem als prominenter Anwalt bekannt, nach Verbündeten für seine im Januar 2017 gegründete Stiftung „The Movement“ (Die Bewegung). Die Voraussetzungen waren geschaffen, es fehlte jedoch eine öffentlichkeitswirksame, gut vernetzte Person, um der Stiftung Leben einzuhauchen. Er fand sie einige Monate später bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Nigel Farage (Ukip) – in der Person von Stephen Bannon. 

Im Januar soll ein wichtiger Gipfel stattfinden

Die beiden schlossen sich kurzerhand zusammen und gingen im Juli 2018 mit ihren Plänen an die Öffentlichkeit: Pünktlich zur Europawahl 2019 wollen sie Konservative, Rechte und EU-Skeptiker unter einem Dach vereinen – ein Dach, rund zehn Kilometer vom Brüsseler Machtzentrum, dem Europaviertel, entfernt.

Im Nobelbezirk Watermael-Boitsfort befindet sich das 1.200 Quadratmeter große Luxusanwesen von Modrikamen. Ein prächtiges Herrenhaus, versteckt unter uralten Bäumen, ausgestattet mit einem Pool im Garten – ein Wohlfühlort also. Hier soll die zukünftige Operationsbasis der „Bewegung“ entstehen.

„Es wird keine politische Partei“, erklärt der 52jährige Modrikamen das Vorhaben. „Wir versuchen vielmehr einen Club aufzubauen, der Menschen zusammenbringt und deren Mitglieder sich gegenseitig unterstützen – wie Waffenbrüder. Und wenn ein Waffenbruder Hilfe braucht, wird der Club da sein, um ihm zu helfen.“ Laut Modrikamen sollen aktuell etwa sieben bis acht Personen für die Stiftung arbeiten. In naher Zukunft könnten noch einmal „drei bis vier Vollzeitkräfte hinzukommen“. Sobald der Club genügend Mitglieder habe, plane er informelle und formelle Treffen in seinem Haus zu organisieren. So könnte bereits „im November oder Januar“ ein „Gipfel der europaskeptischen Führungspersonen“ abgehalten werden.

Selbsterklärtes Ziel ist eine internationale Organisation mit vier gemeinsamen Prinzipien: mehr Souveränität für die Nationen, Grenzkontrollen, Obergrenzen bei der Einwanderung und Kampf gegen den radikalen Islam. Spezialisten für Wähleranalyse, Recherche und Kommunikation sollen dabei helfen. Zwar gehe es insbesondere um die anstehende Europawahl, „aber unsere Absicht ist es durchaus, einen globalen Club zu gründen, von Kanada bis Asien“, wie Modrikamen ausführt.

Einen Teil der dafür benötigten Gelder will Bannon, der als Goldman-Sachs-Banker und Chef des Online-Portals Breitbart Millionen verdiente, aus eigener Tasche bezahlen. Der Rest soll von europäischen Spendern eingesammelt werden. Wer diese genau sind, will weder Bannon noch Modrikamen preisgeben. 

Für das Projekt rührten die beiden bereits kräftig die Werbetrommel, vor allem Bannon reist seit Monaten quer durch Europa, um Mitstreiter zu finden. So gewann er bei einem Besuch Anfang September die Unterstützung von Italiens Innenminister Matteo Salvini (Lega). 

Die Chefin der Rechtspartei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens), Giorgia Meloni, organisierte nur wenig später sogar eine öffentliche Veranstaltung in Rom, bei der auch Bannon auftrat. „Italien ist in diesem Moment das Zentrum der Politik in Europa“, bekräftigte dieser in seiner Rede vor Ort. Es sei das wichtigste Experiment, „von hier beginnt der Umsturz, die Revolution, und ihr seid nicht allein“.

Mitte September versprach Louis Aliot, französisches Mitglied des Europäischen Parlaments und Lebenspartner von Marine Le Pen, seine Unterstützung. Seine Partei, das Rassemblement National (RN) werde „ganz sicher“ der Bannon-Stiftung beitreten. Eine Aussage, die seine Frau bereits wenige Zeit später revidierte. Le Pen ging auf Distanz, seltsamerweise auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Matteo Salvini: Bannon sei aus keinem europäischen Land, sondern ein Amerikaner, sagte die RN-Chefin. „Aber wir, wir alleine, sind diejenigen, die die politischen Kräfte formen werden, die aus den Europawahlen geboren werden.“ Ein durchaus bemerkenswerter Vorgang. Denn auch andere Schlüsselpersonen der europäischen Rechten verhalten sich derzeit abwartend, bisweilen uninteressiert oder lehnen das Projekt gänzlich ab. 

Der ungarische Premierminister Viktor Orbán etwa begrüßte noch im Juli die Idee und wünschte dem Projekt „viel Erfolg“. Jüngste Stellungnahmen klingen da schon anders. Zwar bleibe die Einwanderung das bestimmende Thema der nächsten Europawahlen, betonte Orbán kürzlich, ein Amerikaner könne jedoch kein Kandidat sein. Die Idee einer transeuropäischen Bewegung sei hinfällig. 

Zu große Putin-Nähe verschreckt Osteuropäer  

„Wir betrachten die Initiative als irrelevant“, heißt es auch in einer Stellungnahme der Dänischen Volkspartei (DP). Bannon habe weder das nötige Fachwissen noch die Fähigkeiten, um ein „relevanter Akteur auf dem politischen Parkett in Europa zu werden“. 

Auch in anderen mittel- und osteuropäischen Ländern spielte „Die Bewegung“ in den Medien und der Politik bislang kaum eine Rolle. Abgesehen von einem Besuch Bannons in Prag auf Einladung des tschechischen Staatspräsidenten Miloš Zeman, bei dem öffentlichkeitswirksame Fotos geschossen wurden, ist nicht viel zu hören. Auch hier dürfte Bannons amerikanische Herkunft eine Rolle spielen. 

Viele konservative Parteien Ostmitteleuropas betrachten die Annäherung rechter Kreise in den USA an den russischen Präsidenten Wladimir Putin traditionell mit Skepsis, vor allem in Warschau. Die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und ihr Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski setzen schon immer auf ein distanziertes Verhältnis zu Moskau.