© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

„Ich bin eine freie Frau“
Film: Catherine Deneuve, die Grande Dame des französischen Kinos, kann ihren 75. Geburtstag feiern
Norbert Breuer-Pyroth

Die Hölle der Frauen ist das Alter“ bemerkte einstmals der französische Moralist François de La Rochefoucauld. Für seine Landsfrau Catherine Fabienne Dorléac, besser bekannt unter ihrem Nachnamen mütterlicherseits als Catherine Deneuve, dürfte das kaum gelten. Zumal, wie sie einmal in einem Interview erklärte, das Altern für Männer „noch schlimmer“ sei, weil „die Schwächung der sexuellen Leistungsfähigkeit einen großen Angriff auf das Ego bedeutet“ (Die Zeit vom 11. März 2011). 

Die im Oktober 1943 im besetzten Paris geborene Filmikone ist bis heute jene attraktive, distinguierte, makellose „Blondine“ geblieben, die sie von Jugend auf war. Auch wenn sie von Natur aus brünett ist.

Ihrem buntglitzernden Lebensmosaik fügt sie zuweilen ein neues Plättchen hinzu. So wie jüngst in Sachen MeToo-Debatte, wo sie in einem offenen Brief in der mit tonangebenden französischen Tageszeitung Le Monde im Verein mit 99 weiteren Frauen für das männliche Geschlecht „die Freiheit zu belästigen“ forderte. Die febrile „MeToo“-Hatz wird darin gegeißelt, da sei eine „Kampagne von Denunziation und öffentlicher Anschuldigung“ losgetreten worden. Die „Freiheit, lästig zu sein“, sei indes „unerläßlich für die sexuelle Freiheit“. 

Modell für die Nationalfigur „Marianne“

Die Unterzeichnerinnen warnen vor einem „Klima totalitärer Gesellschaft“. Sie befürchten einen allgemeinen „Haß auf Männer und Sexualität“. Vergewaltigung sei ein Verbrechen, „doch eine beharrliche oder ungeschickte Anmache sei nicht strafbar und eine Galanterie auch keine chauvinistische Aggression“. Und somit gewiß kein Kündigungsgrund. Das Klima der Zensur mache sie sprachlos, beklagt die Schauspielerin, sie sorge sich um die Zukunft der Gesellschaft. 

„Wenn mir ein Mann den Hof macht, empfinde ich das als sehr angenehm“, bekannte die Deneuve schon vormals. Namentlich sorgen sich die einhundert Damen um das Flirten. Die Deneuve hatte zuvor schon einmal verraten: „Ein Flirt ist wie eine Tablette: Niemand kann die Nebenwirkung genau voraussagen.“ Und: „Dilettanten erkennt man an der Plumpheit ihrer Komplimente. Der routinierte Verführer riskiert Kritik.“

Den Opfern sexueller Gewalt jedoch, die sich von dem von ihr unterzeichneten MeToo-Artikel angegriffen gefühlt hätten, biete sie ihre Entschuldigung an, hieß es eine Woche später in einem von der Tageszeitung Libération veröffentlichten Schreiben Deneuves („Ich bin eine freie Frau“) ergänzend. Den Vorwurf, keine Feministin zu sein, wies sie zurück. Und erinnerte daran, daß sie 1971 zu jenen „343 Schlampen“ gehörte, die gemeinsam mit Simone de Beauvoir und Jeanne Moreau das Manifest „Ich habe abgetrieben“ unterzeichnet hatten.

Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi sprang Madame Deneuve ebenso unerbeten wie chevaleresk bei: „Es ist natürlich, daß Frauen glücklich sind, wenn ein Mann sie umwirbt.“ Über eine Dankesbezeigung Madame Deneuves ist nichts bekannt, doch über Italiener spöttelt sie schon einmal: „Italiener denken immer nur an zwei Dinge. Das andere sind die Spaghetti.“

„Die Deneuve“, heute die „Grande Dame“ des französischen Films und weltweit bewundert, nahm nie Schauspiel- oder Gesangsunterricht, doch allein schon ihre Stimme gilt manchen, neben jener von Jeanne Moreau, als die schönste und präziseste des französischen Films. Ihre Eltern waren Schauspieler, das Metier lag ihr im Blut. Schon mit 13 Jahren stand sie ebenfalls vor der Filmkamera – bislang in mehr als hundert Spielfilmen. Doch niemals betrat sie Theaterbühnen oder übernahm Fernsehrollen. Ihre alten Filme mag sie sich nicht anschauen.

Die Galerie ihrer Preise und Ehrungen sucht ihresgleichen: vom César als beste Hauptdarstellerin in „Die letzte Metro“ (1981) und in dem Epos „Indochine“ (1993) über die Ehrenpalme von Cannes und den Goldenen Ehrenbären von Berlin, letztere beide für ihr Lebenswerk. Die Aufnahme in die illustre „Französische Ehrenlegion“, seit Bonaparte die ranghöchste Auszeichnung Frankreichs, durfte ebensowenig fehlen wie die Glorie, 1985 für die Büste der französischen Nationalfigur „Marianne“ posieren zu dürfen, zumal: „Sie ist so schön, daß ein Film, in dem sie spielt, auch ohne Geschichte auskommt“, wie Regisseu François Truffaut schwärmte.

Die stets charmant und kultiviert erstrahlende Actrice war und ist mitnichten eine Kopie der großen Miminnen ihrer Zunft: weder von Brigitte Bardot, Marilyn Monroe, Sophia Loren noch Audrey Hepburn. Doch hat sie vornehmlich von letzterer (nebst dem Rauchen) etwas Aristokratisches in ihrem Zauberkasten – und war obendrein stets sie selber, intelligent, erotisch, doch ohne je eine Sexbomben-Attitüde zu pflegen.

Große Regisseure ihrer Zeit rissen sich um sie

Mit ihren Bewunderern kokettierte sie, doch hielt sie sie auf Distanz. In ihren Filmwerken ist sie hingegen nicht selten die mystisch-vornehme Frau – dies auch als Halbtagsprostituierte in Luis Buñuels „Belle de jour – Schöne des Tages“ (1967) oder als bisexuelle Vampirin in „Begierde“ (1983). Für den Playboy zog sie sich 1965 aus.

Mit Roger Vadim und Charmeur Marcello Mastroianni war sie liiert und schenkte beiden ein Kind. Mit Clint Eastwood wird eine Affäre aus den sechziger Jahren kolportiert, oft sah man sie an dessen Seite in Cannes. 

Die größten Regisseure ihrer Zeit rissen sich um die hinreißend Unnahbare: Polanski, Buñuel, Hitchcock. Sie war Filmpartnerin von Alain Delon, Yves Montand, Gérard Depardieu, lag auf der Leinwand in den Armen von Jean-Paul Belmondo, nahm ihrerseits Jack Lemmon in den Arm, sang Duette mit Joe Cocker. Ihr Trauzeuge bei der Hochzeit mit dem britischen Fotographen David Bailey war Mick Jagger. Nur einmal schloß sie den Bund der Ehe und ließ es fortan bleiben, wozu sie ihre kleine Philosophie darbot: „Wozu heiraten, wenn es die Möglichkeit der Scheidung gibt?“ 

Sie war journalistisch aktiv, schrieb für linke wie konservative Tageszeitungen. Sie signierte ein Bekenntnis zur Abtreibung, warb um Spenden für Landminen-Opfer, engagierte sich gegen Genitalverstümmelung, petitionierte gegen die Todesstrafe in den USA. 

Sie fand es unsäglich, wie Präsident Hollande demontiert worden sei, denn damit schade man der Autorität des Amtes. Der „Ehe für alle“ stand sie skeptisch gegenüber, das sei bizarr, wo doch alle sich scheiden ließen. Die Adoption von Kindern durch Homosexuelle hingegen befürwortet sie ebenso wie eine zivilrechtliche Partnerschaft.

Mit ihrer bestrickenden Schönheit juveniler Tage weiß sie gelassen umzugehen: „Ich weiß, daß ich, hätte ich nicht so ausgesehen wie ich ausgesehen habe, niemals hätte Filme machen können. Daran erinnere ich mich sehr gut, und ich weiß, daß ich es akzeptieren muß.“ 

Ihre jüngeren Hollywood-Schauspielkolleginnen beneidet sie hingegen keine Spur. „Ich wäre heute nicht gern eine junge Schauspielerin. Sie müssen fortwährend perfekt aussehen, weil stets irgendwer ein Foto schießen und es ins Internet stellen kann. Resultat: Es gibt keine Individualität mehr, sie sehen alle gleich aus – wie Barbiepuppen.“

Die auch privat eher reservierte Deneuve wohnt zurückgezogen in einem Luxusappartement im Pariser Stadtteil Saint-Sulpice und lebte zuvor lange auf ihrem barocken Traumschlößchen in der Normandie. „Ich bin sehr gern allein und eine Nachteule. Ich liebe es zu Hause zu sein, wandere in meiner Wohnung umher, räume oder lese und genieße die Stille. Ich kümmere mich um meine Familie und meine Freunde. Ich liebe meinen Garten und meine alten Rosen. Da lernt man etwas über Wachsen und Vergehen.“ 

Demnächst ist Catherine Deneuve wieder in einer Hauptrolle auf deutschen Kinoleinwänden zu sehen. Am 20. Dezember startet der Film „Der Flohmarkt von Madame Claire“, in dem sie eine Frau spielt, die eines morgens aufwacht und glaubt, dies sei ihr letzter Tag.

Doch gemach, mit dem Vergehen wird sie sich noch üppig Zeit lassen dürfen. Ihre Mutter Renée ist in diesem September 107 Jahre alt geworden.