© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

Bretter des Spaßes
Deutschland ist eine Institution auf dem Markt der Gesellschaftsspiele
Bernd Rademacher

Brettspiele sind etwas aus dem vorigen Jahrhundert, heute wird nur noch elektronisch gezockt, am PC oder auf dem Smartphone. Von wegen, sagen Branchenkenner, Brettspiele erleben gerade goldene Zeiten, und Marktanalysten rechnen in den kommenden Jahren noch einmal mit einem Wachstum von bis zu zehn Prozent. 

Auf der weltgrößten Messe für nicht-elektronische Gesellschaftsspiele, die vom 25. bis zum 28. Oktober in Essen stattfindet, brechen die großen Hersteller wie Ravensburger, Mattel oder Hasbro einen Rekord nach dem anderen. So hat der französische Spieleverlag Asmodee in den vergangenen vier Jahren seinen Umsatz verdreifacht und allein in Deutschland fast zwei Millionen Brettspiele verkauft. Von den sieben Messehallen der Essener „Spiel“ belegte Asmodee vergangenes Jahr fast eine ganze nur für sich, mit einer Show, die der weltgrößten Videospielmesse „Gamescom“ in nichts nachstand.

„German-style board-games“ sind Kult in den USA

Christian Petersen, Geschäftsführer von Asmodee in Nordamerika, versucht den Erfolg zu erklären: „Viele Menschen sind der Digitalisierung überdrüssig. Vor allem Erwachsene wollen nach einem Arbeitstag vor dem Computer und dem ständigen Starren aufs Smartphone einfach mal bei einer analogen Tätigkeit entspannen und dabei mit anderen in realem Kontakt stehen, statt nur über Messenger-Dienste. Das Brettspiel ist ideal für alle, die durch Videogames den Spaß am Spiel wiederentdeckt haben, aber einfach mal weg vom Monitor wollen.“

Petersen ist nicht ganz unschuldig am Boom der Brettspiele: In den Neunzigern versuchte er zunächst erfolglos, in Amerika europäische Comics wie Asterix oder Lucky Luke zu verkaufen. Kurz vor der Pleite sattelte er auf Brettspiele um, denn die verkauften sich gut. Sein eigener Entwurf „Twilight Imperium“ wurde ein Renner. Laut Petersen schätzen die Amerikaner an den deutschen Spielen vor allem das relativ simple Design und Regelwerk, bei gleichzeitig großer strategischer Tiefe. Als Beispiel nennt er den Kult-Klassiker „Die Siedler von Catan“, von dem weltweit über 20 Millionen Exemplare abgesetzt wurden. Seitdem werden solche Strategie-Brettspiele in den USA auch „German-style board-games“ genannt und sind bei Hollywood-Promis und Silicon-Valley-Managern beliebt. Immer wieder haben sie einen „Gastauftritt“ in US-amerikanischen Fernsehserien.

Der Trend, den deutsche Spiele in den USA ausgelöst haben, könnte nun „amerikanisiert“ zurückschwappen und den Druck auf die Erfinder hierzulande erhöhen. Denn in den USA werden die Spiele, ähnlich wie Filme, von hochprofessionalisierten Kreativteams der Produktionsfirmen entwickelt; doch in Deutschland sind die meisten Spieleentwickler Einzelgänger, die sich als Künstler betrachten und ihr „Werk“ den großen Verlagen anbieten. 

So wie Reiner Knizia, der erfolgreichste Spiele-Erfinder Deutschlands. Der frühere Investmentbanker hat bisher unglaubliche 600 Spiele erdacht und vermarktet, darunter „Keltis“ oder „Drachenboot“. Seine Prototypen testet er beim Spielen mit Familie und Freunden. Kommt in der Runde der Testspieler großer Spaß auf, weiß Knizia, daß er auf dem richtigen Weg ist. Von den bekannten Klassikern wie „Mensch, ärgere dich nicht“ hat er keine hohe Meinung, besonders nicht von „Monopoly“. Kein Wunder: Wenn niemand vorzeitig aus Wut den Tisch umwirft, können sich die Partien endlos hinziehen.

Die erfolgreichsten deutschen Spielemacher des vergangenen Jahres sind allerdings Inka und Markus Brand, die den begehrten Preis „Kennerspiel des Jahres 2017“ einheimsten. Mit „Exit – das Spiel“ haben sie zum richtigen Zeitpunkt auf den Trend der „Escape-Room-Games“ gesetzt, bei dem sich die Spieler durch das Lösen von Rätseln, cleveres Kombinieren und das Finden von Gegenständen aus einem Verlies oder Labyrinth befreien müssen. Doch so sehr sich die Branche über die Nachfrage freut, ist viel Wertschöpfung dabei nicht drin, denn viele Käufer erwarten, daß ein Brettspiel unter 30 Euro kostet. Da bleibt neben Herstellung und Vermarktung nur wenig Profit für den Entwickler übrig. 

Rund tausend internationale Aussteller zeigen kommende Woche in Essen wieder auf über 40.000 Quadratmetern ihre Neuheiten auf dem Gebiet der Brett-, Gesellschafts- und Strategiespiele. Mal sehen, ob die „German style“-Spiele in der Originalversion oder der US-Adaption die Nase vorn haben.

Internationale Spieltage „Spiel ‘18“: Vom 25. bis zum 28. Oktober auf dem Messegelände Essen, Öffnungszeiten: Do.–Sa. 10–19 Uhr, So. 10–18 Uhr. Eintritt: Erwachsene 13 Euro, Kinder (4–12 Jahre) 7 Euro.