© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

Der Flaneur
Am Serviceschalter
Paul Leonhard

Die junge Frau am äußersten Schalter des Ferienflieger-Servicestandes ist viel zu stark geschminkt und schlecht gelaunt. Das spüren die vordersten Kunden in der Warteschlange aufgeregter Reisender, die ihren Flug verpaßt haben, ihr Gepäck vermissen oder sonstige Wünsche haben.

Alle hüten sich, die Dame anzusprechen. Zumal sie eine äußerst integere Fachkraft zu sein scheint. Sie tippt nicht nur emsig mit einer Hand auf der Tastatur ihres Computers, wischt mit der anderen auf dem Smartphone, hat den Hörer des Telefons unters Kinn geklemmt, sondern reagiert auch auf das Klagen der älteren Kollegin, deren PC gerade abgestürzt ist.

Der Mitarbeiter brummelt etwas wie „Die sind wir los“. Seine Kollegin lächelt.

„Hat denn hier niemand eine Ahnung?“ stöhnt sie. Sie legt den Hörer ab und wendet sich der streikenden Technik zu. Schnell ist das Problem geklärt. Sie schaut kurz zufrieden auf, was ich nutze und sie mit meinem Blick fixiere. „Ja, bitte?“ ertönt es genervt.

Ich trage mein Anliegen vor. Die Dame schüttelt den Kopf. Dafür sei allein die neben ihr sitzende Kollegin zuständig. Nur die habe das benötigte System auf dem Computer. Also stelle ich mich hinter ein Paar mit langen, zu Pferdeschwänzen gebundenen grauen Haaren, die gerade gegen überzogene Preise für vegetarisches Essen protestieren. „Diskriminierung nenne ich das“, schimpft die Frau. „Geldscheffelei“, sekundiert der Mann.

Ein weiterer Servicemitarbeiter greift ein. Gerade noch hat er eine in Tränen aufgelöste Australierin beruhigt und umgebucht, jetzt verrät er den beiden Alt-Achtundsechzigern, wie sie mit einem Trick zu ihrem vegetarischen Essen kommen. „Meistens klappt das“, wispert er den beiden zu, die zufrieden von dannen ziehen. Der Mitarbeiter blickt ihnen hinterher und brummelt etwas wie „Die sind wir los“. Die Kollegin lächelt.

Jetzt bin ich an der Reihe. Doch die Frau greift mit einer Hand nach unten und knallt mir ein „Schalter geschlossen“-Schild vor die Nase.