© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/18 / 26. Oktober 2018

Erwartungen nicht erfüllt
Studie: Sieben Jahre nach Einführung des Studienfachs Islamische Theologie ziehen Wissenschaftler eine ernüchternde Bilanz
Christian Vollradt

Acht Jahre ist es mittlerweile her, daß der Wissenschaftsrat die Einführung von Instituten und Studiengängen für das Fach Islamische Theologie an deutschen Universitäten forderte. Der Empfehlung kam man rasch nach. Inzwischen bieten die Hochschulen in Osnabrück, Münster, Frankfurt und Gießen (in Kooperation), Tübingen sowie Erlangen-Nürnberg entsprechende Studiengänge an.

Eine erste Bestandsaufnahme im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung kommt zu einem ziemlich ernüchternden Ergebnis. Die Hauptkritikpunkte: Weder wird der hohe Bedarf an Absolventen gestillt, noch werden die hohen politisch-gesellschaftlichen Erwartungen an eine von deutschen universitären Standards geprägte Islam-Vermittlung erfüllt. Das liegt, so die Bilanz des Religionssoziologen und Professors für gegenwartsbezogene Islamfoschung Rauf Ceylan sowie des Islamwissenschaftlers Andreas Jacobs, vor allem an fehlender Abstimmung der Fächer auf den Arbeitsmarkt, an mangelnder Eignung vieler Studenten und fehlender Akzeptanz bei den potentiellen „Abnehmern“ des Angebots.  

Unter Berufung auf eine Untersuchung des Mediendienstes Integration nahmen im vergangenen Schuljahr bundesweit mehr als 54.000 Schüler an rund 800 Schulen an einer Form von islamischem Religionsunterricht teil. Geht man gemäß älteren und mittlerweile wahrscheinlich schon übertroffenen Schätzungen davon aus, daß etwa zehnmal so viele Schüler für ein derartiges Unterrichtsangebot in Frage kämen, reicht der Bedarf noch lange nicht. Die Zahl der Absolventen an den jeweiligen Lehrstühlen bewegt sich seit 2016/17 „im niedrigen zweistelligen Bereich pro Semester“. 

Islamverbände bilden      Imame lieber selbst aus

Ein Problem haben vor allem die Lehramtsstudiengänge, stellen die Autoren fest: So würden sich etwa „viele kopftuchtragende Frauen aufgrund mangelnder und zum Teil unklarer Aussichten auf eine Übernahme in den Schuldienst trotz guter Noten gegen das Lehramtsstudium“ entscheiden. Auch werde „teilweise eine persönlich und fachlich nur bedingt geeignete Zielgruppe“ angesprochen. Denn in einer Umfrage unter an einer islamisch-theologischen Ausbildung Interessierten habe die Mehrheit sich als „bloße Wissensvermittler“ gesehen, die den Islam „unreflektiert für die ‘bessere Religion’ hielten und auch so an ihre (zukünftigen) Schüler weitergeben“ wollten. 

Schwierigkeiten sehen die Wissenschaftler auch im Hinblick auf die fehlende Akzeptanz der nach deutschen universitären Standards ausgebildeten islamischen Theologen. Zwar würden die großen Moscheeverbände auf die Kritik an sogenannten „Import-Imamen“ reagieren; doch offenbar nicht so, wie von den Befürwortern eines vermeintlichen  „Euro-Islam“ gewünscht. So greife man von seiten der Verbände eben nicht auf diejenigen zurück, die an einer Universität islamische Theologie studiert hätten, sondern bilde zunehmend in Eigenregie deutsche Muslime auf deutsch aus, konstatieren die Wissenschaftler. Auch sei die Ausbildung zum Imam nicht Ziel der meisten Studiengänge an den Islam-Lehrstühlen der deutschen Universitäten. Hinzu kämen viele unklare Finanzierungs- und Qualifizierungsfragen. 

Daß der Islam nicht analog zur hierzulande zwischen Staat und Kirchen abgestimmten Ausbildung christlicher Theologen funktionieren kann, kommt – wie zu erwarten – als Schlußfolgerung für Ceylan und Jacobs nicht in Frage. Stattdessen fordern sie eine bessere Kooperation mit muslimischen Trägern, die Klärung oder Vereinheitlichung von Rechtsfragen (Stichwort Kopftuch) und ein „flexibles Übergangsmodell“ zur Finanzierung islamischer Gemeinden.