© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/18 / 26. Oktober 2018

Die Leute haben Lust auf Neues
Landtagswahl in Südtirol: Das im Juli gegründete Team Köllensperger und Salvinis Lega überraschen / Konservativ-liberale SVP kommt mit blauem Auge davon
Martin Feichter

Da die italienisch-national ausgerichtete Fünf-Sterne-Bewegung kein zukunftsfähiges Modell für Südtirol vorweisen konnte, rief deren ehemaliger Landtagsabgeordneter Paul Köllensperger im Juli eine eigene Partei ins Leben. Mit bahnbrechendem Erfolg. 

Aus dem Stand gelang es dem Spitzenkandidaten und Namensgeber der Liste, sechs Landtagssitze (15,2 Prozent) zu holen. „Das Ergebnis hat die Erwartungen weit übertroffen“, sagt Köllensperger am Tag nach der Wahl gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Die Leute haben Lust auf Neues. Ein großer Teil der Wählerschaft suchte eine bürgerliche Alternative zur Volkspartei, die es bislang nicht gab. Das Team Köllensperger stellt genau das dar.“ Kämpfen will Köllensperger für die Verbesserung des Gesundheitswesens, gegen die Wohnungsnot sowie gegen hohe Miet- und Lebenshaltungskosten. Reizthemen wie der italienisch-österreichische Doppelpaß interessieren den 48jährigen, obwohl er sich dafür ausspricht, nur marginal. Man stehe für „realistische Sachpolitik“ und wolle an einer weiteren Stärkung der Südtirol-Autonomie arbeiten. 

Mit einem blauen Auge davon kam  die konservativ-liberale Südtiroler Volkspartei (SVP). Die Sammelpartei landete zwar bei einem historischen Tief von 41,9 Prozent. Sie verlor im Vergleich zur letzten Landtagswahl zwei Mandate und hält nun 15 von 35 Sitzen im Parlament. Das selbst gesteckte Wahlziel von 40 Prozent konnte allerdings erreicht werden. „Die Prognosen waren weit schlechter und lagen bei ungefähr 38 Prozent. Natürlich schmerzt ein Verlust von drei, vier Prozentpunkten. Aber wenn man andererseits als Volkspartei einen Vierer vorne am Ergebnis dran hat, dann ist das in Europa schon etwas Besonderes“, sagt SVP-Wahlkampfleiter Thomas Widmann zur JF. 

Freiheitliche  müssen Federn lassen

Weil aber laut Widmann rund 5.000 Stimmzettel als „bedenklich“ gelten, könnte von Amtswegen nochmal nachgezählt werden. Dadurch könnte ein sogenanntes Restmandat, das haarscharf den Grünen (-1,9 Prozentpunkte; 3 Sitze) zugesprochen wurde, zur Volkspartei wandern. „Sobald wir konkret wissen, wie das amtliche Ergebnis aussieht, werden wir selbstverständlich in die Koalitionsverhandlungen gehen.“ Einen nicht unbeachtlichen Stimmeneinbruch verzeichnete auch Landeshauptmann (Ministerpräsident) Arno Kompatscher (JF 43/18). Den Verlust von über 12.000 Wählerstimmen erklärt sich der Landeshauptmann durch die Kandidatur eines weiteren Kandidaten mit dem Namen Kompatscher auf der SVP-Liste, wobei bei reiner Angabe des Nachnamens eine Vorzugsstimme nicht gewertet wird. „Wenn man die Doppelnamen-Problematik berücksichtigt, ist es so, daß ich mehr oder weniger gleich viele Stimmen wie beim letzten Mal erhalten habe. Es ist ein sehr klarer Auftrag“, sagte er am Montag bei einer Pressekonferenz.

Wahlsieger ist hingegen die italienische Lega. Sie blieb mit einem Ergebnis von 11,1 Prozent hinter dem staatsweiten Trend von 33,8 Prozent (IPSOS), schnitt für Südtiroler Verhältnisse aber unerwartet gut ab. Verglichen mit der Wahl 2013 entspricht dies einem Plus von 8,7 Prozentpunkten. So werden allein für die Lega vier Italiener im Landtag sitzen. 

Deutlich schlechter erging es den Oppositionsparteien auf deutscher Seite. Die BürgerUnion für Südtirol schied aus dem Landtag aus, die Süd-Tiroler Freiheit verlor ein Mandat und kommt damit noch auf zwei Sitze. Ein Wahl-Debakel nach internen Querelen erlebten die Südtiroler Freiheitlichen (JF 35/18). Von sechs Mandaten stürzten die Blauen auf zwei Sitze ab. „Wir Freiheitliche sind der große Verlierer dieser Landtagswahl“, gesteht Obmann Andreas Leiter Reber. „Viele Gründe sind für den massiven Vertrauensverlust verantwortlich, mehrere davon waren hausgemacht.“